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Adel berichtet (21): Biss zum Morgengrauen

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Zwischen mich und meinen Jungdackel Taxi passt normalerweise kein iPad. Aber als der Chef Taxi am Mittwoch dabei erwischt hat, wie er im Redaktionssystem den Artikel über die aktuelle Beißstatistik manipulieren wollte, da hat das unsere Freundschaft doch belastet. Es war fünf Minuten vor Druckschluss, und ich hab mich unglaublich geärgert: Da kommt der Chef einmal an meinen Schreibtisch, und ich bin nicht da!

Ich stand gerade in meinen Lacoste-Gummistiefeln auf dem Redaktionshof und habe versucht, dem Fahrer das Kippladers zu erklären, dass ich den bestellten Beachvolleyball-Platz doch lieber zurückgeben würde. Da hatte Taxi schon alles gestanden. Aus Enttäuschung darüber, dass die Dackel in der Beißstatistik nur den neunten Platz belegen, hat er sich ins Layout gehackt und vor die mickrigen 15 Dackelbisse aus dem letzten Jahr noch eine 3 gesetzt. 315 Bisse – da hätten selbst Kampfhunde ganz schön dran zu knabbern gehabt. Vorausgesetzt, sie hätten nicht gerade einen Briefträger im Mund.

Ich habe den Chef dann überredet, dass er wenigstens eine Nacht drüber schläft, bevor er Taxi seinen Presseausweis abnimmt. Danach sind wir nach Hause gefahren und haben uns am Küchentisch zwei Stunden lang angestarrt. Erklärung? Fehlanzeige. Erst später am Abend habe ich dann auf Taxis iPad gesehen, dass er sich im Internet Maulkörbe und Stachelhalsbänder angeschaut hat. Da war mir plötzlich alles klar: letzte Woche die Bernhardiner-Dame auf dem Spielplatz, die ihn von der Rutsche geschubst hat. Am Tag drauf die Dalmatinerin an der Eisdiele, die ihm die Sahne vom Bananensplit geleckt hat. Und gestern die Jack-Russel-Göre, der er einen Käfer schenken wollte. Und was macht sie? Piekst Taxi mit ihrem Gummiknochen ins Auge und lässt sich dann von diesem ordinären Schäferhund abschleppen! Taxi muss den Eindruck bekommen haben, dass ein netter Typ wie er bei den Damen nicht gefragt ist. Da hilft es sicher auch nicht, dass er jetzt nachts immer diese Lothar-Matthäus-Doku schaut ...

Sofort mache ich uns zwei große Tassen Kakao, suche die DVD von „Schlaflos in Seattle“ raus und stehe schon mit dem Tablett im Flur, als ich mich frage: Ist es so schlimm, wenn Taxi noch einen Tag länger denkt, dass harte Jungs besser ankommen? Dann würde ich ihn nämlich morgen noch mal auf die Wade des Volontärs hinweisen, der so blöde gelacht hat, weil ich dachte, „50 Shades of Grey“ wäre der Jubiläumsbildband über Gropiusstadt ...

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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