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Adel berichtet (27): Idealist im Außendienst

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Ich weiß, Weihnachten ist noch ein paar Tage hin, aber lehnen Sie sich trotzdem schon mal zurück: Geschenketechnisch brauchen Sie sich nämlich keine Sorgen mehr machen. Wenn der Chef am Montag einverstanden ist, dann reicht ein Anruf in China, und sofort starten die DVD-Pressen: „Berlins unbeliebteste Radwege“, 136 Stunden auf 24 Silberscheiben, im Lederschuber. Mein Jungdackel Taxi und ich sind wochenlang mit dem Auto Radwege abgefahren – teilweise sogar doppelt, wenn Taxi vergessen hat, den Objektivdeckel abzunehmen. Oder gegen die Fahrtrichtung, als Bonus-Material.

Ich will der Handlung noch nicht vorgreifen, aber prinzipiell ist alles dabei, was einen guten Film ausmacht: Action (ich schwöre, ich habe das Bierbike nicht kommen sehen), Comedy (ich habe Taxi gesagt, er soll keine Bananenschalen aus dem Fenster werfen) und Til Schweiger. Wahnsinn, wie dynamisch er den Liter Milch aus dem Spätkauf trägt. Ich kann die genaue Stelle im Film natürlich nicht verraten, sonst ist die Überraschung weg. Ach, und: Taxi ist während des Drehs sein iPhone aus der Gürteltasche gerutscht – wenn ihnen da was auffällt, bitte Bescheid sagen. Ich würde ja selber noch mal durchspulen, aber ehrlich gesagt, schaue ich Filme ungern zweimal.

So, aber jetzt muss ich kurz aufstehen, denn Herr Eichwald ruft. Taxi und ich haben uns als ehrenamtliche Unterstützer im Außendienst beim Bezirksamt Wilmersdorf gemeldet, und Herr Eichwald, 86 Jahre alt und gesundheitsbedingt inzwischen eher der horizontale Typ, ist unser erster Fall. Eigentlich sollten wir ihm nur seinen neuen Personalausweis abholen, aber unter uns: Das Foto ging gar nicht! Aber dafür sind wir ja da. Jetzt muss ich nur auf die Uhr achten, damit wir die Tönung rechtzeitig auswaschen. Honigblond, das ist ein Drahtseilakt: Fünf Minuten zu lang, und auf dem Amt denken alle, er sei Ire.

Für Taxi und mich war es selbstverständlich, bei der Initiative mitzumachen. Es ist ein tolles Gefühl, der Generation etwas zurückgeben zu können, die Deutschland nach dem Krieg aufgebaut hat. Was hat Eichwald eigentlich beruflich gemacht? Ah, Lehrer an der Clownsschule. Na gut. Schlimme Zeit damals, da nahm man, was man kriegte. Trotzdem, ich bin beeindruckt: Kann kaum noch alleine laufen, der Gute, aber steckt sich immer noch jeden Morgen eine Blume ins Knopfloch. Alte Schule eben! Moment, jetzt sagt er was. Ich soll an der Blume riechen? Na, wenn das kein Zeichen von Vertrauen ist!

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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