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Adel berichtet (42): Bingo mit Betonbrocken

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Meine Güte, was waren mein Jungdackel Taxi und ich nervös, als wir am Mittwoch, dem 12.12.2012, morgens die Blechdosen an die Limousine gebunden haben, um uns feierlich zum Amt fahren zu lassen. Ich hatte Taxi ja seit Monaten gesagt: „Schau endlich mal nach, wie das mit der Hundesteuer ist.“ Aber er ist halt so schlecht mit Formularen – die meisten frisst er einfach auf. Deshalb war es natürlich ärgerlich, zu erfahren, dass die einmonatige Anmeldefrist längst abgelaufen ist und Taxi sich seit Mai illegal in Berlin aufhält. Umso wichtiger ist es jetzt, die Sache mit einer absolut wasserdichten Geschichte zurück auf den Boden der Legalität zu schwindeln.

Für den Finanzbeamten haben wir deshalb ein Fotoalbum vorbereitet, das die Geschichte unseres Kennenlernens detailliert nachzeichnet: Gleich auf dem ersten Bild sieht man, wie ich mit dem Tagesspiegel von letztem Montag den Ku’damm herunterlaufe und plötzlich am Straßenrand Taxi in einem Weidenkörbchen entdecke. Er ist eingeschüchtert und hat ein Kalenderblatt vom selben Tag im Maul, auf dessen Rückseite mit krakeliger Stift geschrieben steht: „Dieser Dackel sucht ein neues Zuhause, weil ich mein ganzes Monatseinkommen schon wieder für harte Drogen und gewaltverherrlichende Videospiele ausgegeben habe, obwohl doch heute erst der 10. Dezember ist!“ Zusätzlich haben wir noch ein Foto beigelegt, auf dem wir am selben Abend vor dem Finanzamt stehen und knapp nach Dienstschluss enttäuscht auf eine große Standuhr schauen, die zufällig jemand vor der Tür vergessen hat. Aber wird das reichen?

Als der Beamte das Fotoalbum zuklappt, habe ich mein Sakko längst durchgeschwitzt. Ganz langsam greift der Mann zu einem Butterbrot und beißt ab, während er Taxi und mich nicht aus den Augen lässt. „Zu Guttenberg?“, fragt er schließlich und beugt sich vor. „Das war’s“, denke ich, „wir sind erledigt!“ Gerade will ich die Nebelkerze anzünden, da greift der Beamte zum Stempel. Ein dumpfes Geräusch auf dem Papier, dann schaut er zur Tür. „Nächster!“

Zur Feier des Tages fahren wir danach mit zwei Bauhelmen im Gepäck zum S-Bahnhof Friedrichstraße, um eine Partie Betonbrocken-Bingo zu spielen. Und während wir gemeinsam im Eingang stehen und auf den kopierten Grundrissen tippen, wo der nächste Stein aus der Decke fällt, läuft mir eine Träne die Wange hinab. Alleine würde das hier wirklich keinen Spaß machen ...

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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