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Adel berichtet Folge  72: Mut zur Mücke

Stefan Stuckmann zeichnet auf, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt. Heute: Über die Kombination der Worte "Gerhin" und "Entzündung".

„Entschuldigung, ich hab die Hälfte nicht verstanden!“, rufe ich dem Chef zu, der mit einem Stapel Papier winkend neben meinem Schreibtisch steht. „Sie müssen den Kopf näher ans Moskitonetz halten!“

Fahrlässigere Kollegen halten es natürlich für übertrieben, dass mein Jungdackel Taxi und ich unseren Arbeitsplatz gleich nach Ausbruch der aktuellen Mückenplage mit vier Schutznetzen, zwei Elektrofallen und einem mit Autan betriebenen Luftbefeuchter ausgerüstet haben. Andererseits geht es ja um Leben und Tod: Wissenschaftler haben in brandenburgischen Mücken nämlich die Larven der berüchtigten Hundehautwürmer gefunden, die in unbeobachteten Momenten auch auf Menschen überspringen könnten. Die Folgen habe ich mir nicht komplett durchgelesen, weil ich bei den Worten „Gehirn“ und „Entzündung“ immer Schweißausbrüche kriege. Taxi dagegen ist deutlich härter im Nehmen und hat die Symptome für mich pantomimisch dargestellt: Wie es aussieht, liegt man auf dem Rücken, verdreht die Augen und lässt die Zunge aus dem Mund hängen. Nicht ausgeschlossen, dass man sogar stirbt.

Nun bin ich kein Mediziner, und auch das Brandenburger Landesumweltamt schätzt die Gefährdungslage bisher als „nicht vorhanden“ ein, aber weil für mich als Investigativjournalisten natürlich der Servicegedanke im Vordergrund steht, möchte ich Ihnen dennoch zu Panik raten.

Ganz wichtig, falls Sie zu wissenschaftlich nicht belegtem Hokuspokus wie Homöopathie, Schamanismus oder Tofu neigen: Der im Brandenburger Brackwasser mutierten Stechmücke kommt man nur mit konventionellen Mitteln bei. Wirklich, Taxi und ich haben alles ausprobiert: Weil es den Mücken ohnehin nur um das im Blut enthaltene Eiweiß geht, habe ich statt eines Netzes einen Proteinriegel über mein Bett gehängt. Ohne Erfolg. Ein zweiter Versuch ohne Verpackung verlief ebenfalls enttäuschend. Auch zwecklos: alle Möbel gegen die Regeln des Feng Shui so ausrichten, dass die Mücken beim Reinfliegen gleich schlechte Laune kriegen. Spanischen Touristen die Couch vermieten und ihnen extra dicke Decken geben, damit sie auf jeden Fall nackt schlafen. Und einen Staubsauger mit doppelseitigem Klebeband im Schlafanzugärmel befestigen und per Zeitschaltuhr so programmieren, dass er alle drei Minuten angeht. Ach so, eine Sache noch: Falls Sie diese Zeitung zum Töten von Mücken benutzen, bitte ich Sie, die Seite so zu rollen, dass Sie zum Schlagen nicht mein Gesicht benutzen. Ich kriege sonst immer Schluckauf.

Hochachtungsvoll,

Ihr

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