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ADEL berichtet FOLGE  84: Der Stein trügt

Stefan Stuckmann zeichnet auf, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

„Ick hätte hier eenen Sandsteinblock, 40 Kubikmeter“, ruft der Spediteur in die Redaktionskonferenz, „für einen jewissen Herrn ...“ – „Hey, schaut mal vor dem Fenster, ein rasierter Storch mit Hertha-Trikot!“, rufe ich. Alle sehen mich an. „Okay, welcher Teil war zu unglaubwürdig? Das mit dem Hertha-Trikot? Stimmt, Störche sind ja sehr stolze Tiere!“ Im Augenwinkel sehe ich, wie Jungdackel Taxi mein FC-Bayern-Portemonnaie auffrisst.

Okay, mag ja sein, dass das überstürzt war, im Internet bei mySteinbruch.de per Expressversand den größten vorrätigen Block zu bestellen. Aber als Taxi und ich vor ein paar Tagen gelesen haben, dass die Fassade des Stadtschlosses aufgrund mangelnder Spendenbereitschaft womöglich schlichter ausfallen muss als geplant, da hat uns einfach die Panik übermannt. Beziehungsweise überdackelt.

„Ach so, eine Kleinigkeit noch ...“, sage ich dem Spediteur, nachdem er behutsam den vier Meter hohen Stein im Hof des Verlagsgebäudes abgestellt hat. „Ich hab so ein bisschen das Gefühl, wir haben das Fahrrad vom Volontär übersehen. Können wir noch mal anheben?“

Knapp 60 Millionen Euro fehlen dem Förderverein des Stadtschlosses noch – doch die Zeiten sind hart, und das mussten auch Taxi und ich feststellen, nachdem wir unser eigenes Haushaltsbudget knallhart auf Einsparmöglichkeiten untersucht haben. „Schau hier!“, sage ich und zeige Taxi die große Null auf dem Bildschirm meines goldenen iPhones. Traurig nickt er und legt seins daneben, um mir ein lustiges Katzenvideo zu zeigen.

Doch immerhin, eine Sache gibt es, die ist mehr wert als Geld: Sachleistungen aus Stein in Tier- oder Säulenform. Als zweimaliger Sieger des Kulmbacher Knetwettbewerbs in der Kategorie „ADHS“ ist es höchstens eine Frage von Stunden, bis sich auch der massive Stein von mir willig zum ästhetischen Monument formen lässt wie sonst nur rohe Buchstaben zu hier, na, wie heißt es ... Lyrik.

„Folgendes: Wir bräuchten mal einen neutralen Blick, um ein künstlerisches Grundsatzproblem aus der Welt zu schaffen“, sage ich abends zum Volo, nachdem Taxi und ich uns 30 Minuten lang angeschrien haben. „Die drei Meter hohe Großskulptur da unten im Hof, was zeigt die für dich: einen Löwen oder einen Dackel?“ Der Volontär kneift die Augen zusammen: „Einen Löwen, eindeutig.“

„Na gut, Taxi, dann muss ich mich entschuldigen. Die Schlappohren und die fehlende Mähne haben mich irgendwie irritiert. Und die Hertha-Halskette.“

Hochachtungsvoll,

Ihr

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