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Rollendes Trio. Der Steglitzer Juwelier Bernd Masche, 62, verwandelt sich immer zu Weihnachten in Santa Claus. Im Schlepptau hat er nicht nur seine Helfer, Engel Heike Forza, 48, und den grünen Grinch Olaf Hoffmann, 53.

© Thilo Rückeis

Adventsserie: Es weihnachtet sehr: Bescherung der Biker

Nächste Woche röhrt sie wieder durch die Stadt: die Santa-Parade auf schweren Maschinen. Es geht nicht nur um Show, die Weihnachtsmänner sammeln für Bedürftige. Mit der Tour bringen sie Gaben.

Von Susanne Leimstoll

Das kennt Bernd Masche schon, da tut er zwar cool, aber in der Brust hüpft sein Herz vor kindlicher Freude. Denn als der Bus X 83 an ihm vorbeifährt, klappt den Fahrgästen auf den Fensterplätzen der Unterkiefer runter. Da ist Santa Claus! Mit einem Engel und dem Fantasy-Weihnachtsmonster Grinch im Schlepptau! Der alte Santa auf einer „Indian Chief“ von 1946 mit Naturledersattel und leuchtendem Indianerkopf am Schutzblech. Kiek ma! Brüllt der Arbeiter an der Baustelle und grinst mit seinen Kumpels breiter als der grüne Grinch auf seiner Kawasaki.

In dem Fall war Santa Masche mit Gefolge nur mal kurz für einen Fototermin unterwegs. Am 15. Dezember startet er so richtig – als erster Wohltäter an der Tete der Berlin-Christmas-Biketour, geschätzt 220 Verrückte, die sich und ihre Maschinen kostümieren wie im Disney-Film: Santa auf dem Sitz und in Plüsch auf dem Gepäckträger, Elchgeweihe am Lenker, ein Schlitten auf Spanplatte rund ums Motorrad, Tannengrün hinten drauf. Girlanden am Tank, Wolkenkissen unterm Hintern, Engelsgewänder überm Anorak, Christbaumkugeln am Sattel. Nur wer sich und seine Maschine dekoriert, darf mit. 60 Kilometer, im Schritttempo durch die Stadt, mittendrin ein Sattelschlepper mit der Guggemusik „Spreeschepperer“ obenauf. Friedliche Biker. Jeder mit Helm unter der Perücke, das kontrolliert die Polizei gern, indem sie kurz mal auf die Köpfe klopft.

Seit 15 Jahren dröhnt die Tour einmal vor Weihnachten durch Berlin. Bernd Masche, 62, musste das Event, weil immer mehr mitmachen, als Demonstration anmelden. Seither werden Stopps mit Reden eingebaut, sonst wäre es ja keine Demo. Der Antrag ist aufwendig. Aber seit er glaubhaft versicherte, alles sei für einen guten Zweck, sieht die Polizei vorweihnachtlich gnädig über die Nichtbeachtung des Vermummungsverbots hinweg.

Wenn Bernd Masche die Santa-Mütze, den weißen Kunstbart und die schwarze Sonnenbrille abnimmt, sieht er erfreulich normal aus. Ein freundlich-gelassener Mann mit ruhiger Stimme und verschmitztem Blick. Wenn er nicht Santa ist, hat er ein Juweliergeschäft in Steglitz. In der Freizeit schraubt er an seinen Oldtimer-Motorrädern. Und er ist Vereinsmeier: Mit einem harten Kern von sechs Leuten organisiert er in dem zwölf Jahre alten „Santa Claus on Road e.V.“ die karitative Großaktion zu Weihnachten. Das Spektakel entstand vor fast zwei Jahrzehnten durch einen Gag: Zum Weihnachtsessen fuhren Masche und Kumpel auf dem Motorrad, als Nikoläuse verkleidet. Die Passanten kriegten sich kaum ein vor Freude, dass sie den Weihnachtsmann trafen, und Bernd Masche sagte sich, da geht noch was. Spaß haben und Gutes tun. Seine Biker-Clique suchte in Berlin nach sozialen Einrichtungen, die zu wenig mit Spenden bedacht werden. Auserwählte Projekte lieferten ihre Wunschzettel, die stellte Masche ins Internet und trommelte bei Geschäfts- und Privatleuten für seine Spendenidee.

Seither erfüllt die Runde der motorisierten Weihnachtsmänner Wünsche: von Funkkopfhörer bis Fahrzeug, von Waschmaschine bis Wärmefußsack, von Supermarktgutschein bis Software. 8000 bis 12 000 Euro bringt allein der Verein. Die Ware kommt von Sponsoren und Spendern. Und manchmal schafft es das Team, dass nach der Biker-Bescherung noch ein Konzern wie Mercedes kommt und einen behindertengerecht ausgebauten Transporter spendiert.

Das Jahr über organisieren sie Anlässe, durch die Geld in die Kasse kommt: ein Rock-Konzert für Biker, ein Fest mit Feuerwerk im Park. „Da schaut auch die Oma vom Steglitzer Damm auf ein Bierchen vorbei.“ Alle Bierchen und Eintrittsgelder und verkauften T-Shirts zusammen bilden die Basis für die nächste Tour.

Eben wärmen die drei sich bei einem Kaffee: Santa Bernd Masche, Engelchen Heike Forza und Grinch Olaf Hoffmann. Der Engel hängt die Flügel übern Stuhl, der Grinch holt den aufblasbaren Plastikbauch unterm grünen Sweater vor, Santa nimmt die Haare ab. Sie erzählen, wie das war, als sie das erste Mal mit Armut in Berührung kamen: 2000, bei der Tour zur Suppenküche der Franziskaner in Pankow. Menschen, die sich nichts wünschen als warmes Essen und frische Kleidung, die befangen sind, als sie Geschenke bekommen. Ein Obdachloser, der einen Stoffbären schnell in den Mantel steckt. Manche wollen mal kurz die Flügel von Engel Heike berühren, als könne das etwas ändern an ihrem Schicksal. „Da sehen Sie Biker, solche Schränke“, sagt Bernd Masche und formt mit den Händen sehr breite Schultern, „die brechen ein, die haben Tränen in den Augen.“ Für Bedürftige zu sammeln, sagen sie, sei jetzt ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Die Kostümparade wurde zur Herzensangelegenheit. „Man befasst sich ja sonst im Leben mit so was nicht“, sagt Masche. „Dafür mach’ ich gern den Clown.“ Jeder kann mithelfen bei der riesigen Solidaritätsaktion, nicht nur Motorradfans.

Die aber sollen am Ende nicht zu kurz kommen. Wenn die 60 Kilometer gefahren sind, trifft man sich mit Gästen im Steglitzer Haus der Jugend zur Fete mit Tombola und Live-Musik. „Dann feiern wir uns selber“, sagt Bernd Masche beim Aufbruch und setzt Santas Mütze wieder auf. Was sie sich wünschen für den Tag der Tour? „Gerne keinen Schnee.“

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