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Ämter: Verwaltung in der Knautschzone

Der Stellenabbau ist in bürgernahen Ämtern besonders spürbar. Der Personalrat fürchtet weitere Einschnitte.

Seit etlichen Wochen meldet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) regelmäßig, dass die Kfz-Zulassungsstellen wegen Überarbeitung vorzeitig schließen müssen. Gleiches erleben Besucher in den Bürgerämtern; schon Stunden vor dem Ende der Sprechzeiten erhalten sie keine Wartenummer mehr. Für den GdP-Vorsitzenden Eberhard Schönberg ist die Sache klar: „Der Senat setzt sich mit seinen Personalkürzungen rücksichtslos über die Interessen der Menschen in der Stadt hinweg. Schließungen von Dienststellen in publikumsintensiven Bereichen werden sich fortsetzen.“ Auch im Bereich der Justiz sind Engpässe nicht zu übersehen. Die Bündnisgrünen sprechen von „akutem Personalmangel“.Und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beklagt Gleiches in den Kindertagesstätten.

Uwe Januszewski, Chef des Hauptpersonalrates des Landes Berlin, befürchtet, dass nach dem Auslaufen des „Solidarpaktes“ der Stellenabbau über die bisherigen Planungen hinaus weiter betrieben werden könnte. Denn zu Anfang des kommenden Jahres fallen die Arbeitszeitverkürzungen bei gleichzeitigem Gehaltsverzicht weg. Dann müssen Beschäftigte im Westen 1,5 Stunden und im Ostteil drei Stunden mehr arbeiten. Das könnte Begehrlichkeiten beim Senat wecken.

Seit Beginn der rot-roten Koalition vor acht Jahren wurden viele tausend Stellen im öffentlichen Dienst – Verwaltung, Polizei, Feuerwehr, Schulen, Justiz – gestrichen, von 145 000 auf derzeit rund 108 000 Vollzeitstellen. Weitere 6000 Posten sollen bis Ende 2012 wegfallen. Dabei geht der Abbau langsamer vonstatten, als ursprünglich geplant. Eigentlich sollte bis zu diesem Zeitpunkt eine Personalstärke von 100 000 erreicht sein. Die Opposition sieht das Stellenabbauprogramm des Senats als gescheitert an. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Björn Jotzo hält mittelfristig eine Wegmarke von 93 500, die der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin ins Gespräch gebracht hatte, für realistisch. In den Koalitionsfraktionen SPD und Linke ist trotz der wachsenden Neuverschuldung des Landes die Neigung gering, über weiteren Stellenabbau zu reden. Im Hause von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (SPD) ist allerdings eine weitergehende Personalreduzierung „kein Tabuthema“, Voraussetzung sei aber ein vernünftiges Personalentwicklungkonzept.

Dies fordert die Opposition ebenso. „Es muss nicht alles der Staat machen“, sagt Jotzo. Bei den jetzt anstehenden Tarifgesprächen mit den Gewerkschaften, die Innensenator Ehrhart Körting (SPD) führen wird, müsse der Senat auch darüber verhandeln. Er könne sich dann sogar Einkommensverbesserungen für die Beschäftigten vorstellen: „Mir ist es lieber, wenn in einer schlanken Verwaltung gut bezahlte und motivierte Mitarbeiter sitzen.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze, möchte beim Abbau nicht so weit gehen wie Jotzo. Gerade in der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit dürfe aufgrund der vielfältigen Probleme in der Stadt nicht weiter gestrichen werden. „Die Bezirke sind ausgeknautscht“, sagt Goetze. Spielräume sieht der Unions-Finanzexperte noch in Doppelzuständigkeiten bei Bezirks- und Senatsverwaltungen und nennt als Beispiele die Schul- und Sportstättensanierung, das Schlaglochprogramm und die Bauplanung.

Vor allem in den besuchernahen Bezirksbehörden macht sich für den Bürger der Personalabbau besonders bemerkbar. Man könne aber nicht pauschal sagen, dass die Personalkürzungen vor allem die Bezirke und nicht so die Senatsverwaltungen getroffen habe, sagt Personalratschef Januszewski. Die Statistik belegt das: Bei den Bezirksämtern wurde in der Zeit von 2002 bis 2007 die Zahl der Stellen von rund 28 000 um 4250 reduziert. Das entspricht einer Kürzung um 15,1 Prozent. Bei den Senatsverwaltungen fielen im selben Zeitraum von einst 11 100 rund 2060 Stellen weg (18,5 Prozent). Die Innen- und Finanzverwaltungen waren laut Januszewski Vorreiter: „Die Herren Senatoren Körting und Sarrazin sind mit gutem Beispiel vorangegangen.“ Auf einer Tagung zur Personalentwicklung sagte Körting in der vergangenen Woche, dass er weiteres Sparpotenzial sehe. Beispielsweise müsse nicht jede Verwaltung selber Personalakten führen oder Materialien beschaffen.

Udo Rienaß, in der Senatsinnenverwaltung zuständig für Personalentwicklung, denkt langfristig. Und dabei nicht unbedingt nur an Stellenabbau. Aufgrund der demographischen Entwicklung werde es nämlich schon in wenigen Jahren schwierig werden, Nachwuchs für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Die Zahl der jungen Menschen, die ins Berufsleben starten, sinke drastisch. Sigrid Kneist

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