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Durchgerutscht. Am BER heißt es: Keiner konnte so gut Akten lesen wie Klaus Wowereit. Daran muss sich Michael Müller messen.

© dpa

Ärger um Mehrkosten am Flughafen Berlin-Brandenburg: Kennt Michael Müller nicht alle Akten zum BER?

Die Regierungschefs Michael Müller und Dietmar Woidke fühlen sich vom Bund schlecht informiert - dabei hätte zumindest Müller wissen können, dass 300 Millionen Euro zusätzlich bei der EU beantragt wurden. Auch die Entrauchung macht wieder Probleme.

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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der am 3. Juli den Vorsitz des Flughafenaufsichtsrates übernehmen will, liest offenbar nicht alle Akten, die dem Kontrollgremium des Hauptstadt-Airports zur Verfügung stehen. Jedenfalls nicht vollständig. Denn die Aufstockung des neuen staatlichen Kapitalzuschusses für den Flughafen BER auf 2,5 Milliarden Euro, die das Bundesverkehrsministerium bei der EU-Kommission beantragt, war den Unterlagen für den Aufsichtsrat schon im März zu entnehmen.

Trotzdem hatte sich Müller am Dienstag, nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung der Regierungen Berlins und Brandenburgs, von der Aufstockung der Geldspritze um 300 Millionen Euro überrascht gezeigt. Der erhöhte Betrag, den der Tagesspiegel am Dienstag publik machte, sei ihm erst am gleichen Tage bei einem Telefonat mit der Flughafengesellschaft bestätigt worden. In Aufsichtsratskreisen heißt es, Müllers Vorgänger Klaus Wowereit, der als „Aktenfresser“ galt, wäre das nicht passiert. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warf dem Bund zunächst vor, die höhere Summe mit Berlin und Brandenburg nicht abgestimmt zu haben. Woidke ist aber kein BER-Aufsichtsrat.

Woidke und Müller ruderten am Donnerstag zurück

Es geht um jene Gelder, die die öffentliche Hand für den Fertigbau des BER (1,1 Milliarden Euro), erste Erweiterungsbauten (700 Millionen Euro) sowie Zins- und Tilgungszahlungen (500 bis 800 Millionen Euro) in den nächsten Jahren zur Verfügung stellen oder durch Bürgschaften gewährleisten soll. Denn die Flughafengesellschaft selbst ist infolge des BER-Debakels allein nicht mehr kreditfähig. Das Bundesverkehrsministerium betätigte am Donnerstag auf Anfrage, dass der Genehmigungsantrag für 2,5 Milliarden Euro in Brüssel kein Alleingang sei. Zitat: „Der Pre-Notifizierungsantrag und dessen Inhalte basieren auf Angaben der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. Den zuständigen Gremien der Flughafengesellschaft lagen die Informationen vor.“

Am Donnerstag ruderten Müller und Woidke zurück. Der Regierende räumte vor dem Abgeordnetenhaus ein, dass dem Aufsichtsrat der um 300 Millionen Euro auf 2,5 Milliarden Euro aufgestockte Kapitalzuschuss „zur Kenntnis gegeben“ worden sei. Das Thema sei auch in der Gesellschafterversammlung diskutiert worden, antwortete Müller auf eine Frage der Grünen. Es habe dafür aber bisher keine Zustimmung oder Beschlussfassung gegeben. Für Brandenburgs Rechnungshof, der den Rückzug der Spitzenpolitiker aus dem BER-Aufsichtsrat forderte, dürfte die Panne eine Bestätigung sein.

Unabhängig davon, dass er die Unterlagen für den Aufsichtsrat offenbar nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat, warf Müller dem Bund vor, die Miteigentümer Berlin und Brandenburg über das vorbereitende Genehmigungsverfahren (Pre-Notifizierung) in Brüssel nicht ausreichend zu informieren. Erste Gespräche auf „Mitarbeiter- und Staatssekretärsebene“ hätten ergeben, dass das Verfahren in Brüssel als so vertraulich eingestuft werde, dass das Verkehrsministerium nicht bereit sei, die Unterlagen herauszugeben. Gemeinsam mit Woidke sei er aber der Meinung, so Müller, dass die drei Flughafen-Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg „auf gleichem Informationsstand“ sein müssten. Dies werde beim Bund eingefordert.

"Es gab Leute, die es wussten"

Auch Brandenburgs Regierungschef musste sich korrigieren. Am Dienstag hatte Woidke noch den angeblichen Alleingang des Bundes beklagt: „Wenn Sie es genau wissen wollen: Es war nicht mit den Gesellschaftern abgestimmt.“ Jetzt räumte er die Kommunikationspanne freimütig ein. Erst danach habe er erfahren, dass die höhere Summe in Regierung und Aufsichtsrat bekannt gewesen sei. „Es gab Leute, die es wussten.“ Dem Vernehmen nach lag dem Aufsichtsrat schon zur Sitzung im März 2015 der Antragsentwurf der Bundesregierung für das Notifizierungsverfahren vor. Daraus geht hervor, dass 2,2 bis 2,5 Milliarden Euro beantragt werden. Die zusätzlichen 300 Millionen Euro schlagen zu Buche, wenn die Kapitalspritze nicht direkt aus den Bundes- und Landeshaushalten, sondern über Kredite erfolgt, die von der öffentlichen Hand verbürgt werden. Und genau das wollen Berlin und Brandenburg, die damit den höheren Zuschuss auch noch zu verantworten haben.

Neue Probleme mit der Entrauchung, aber "lösbar"

Unterdessen gibt es wieder Turbulenzen um die für 2017 geplante Eröffnung. „Bild-Online“ veröffentlichte ein internes Flughafen-Dokument, in dem es heißt: „Neue Termine reißen AR-Terminschiene.“ Hintergrund sind Behördenauflagen für die Entrauchungsanlagen in den Anlieferhöfen. Die Verantwortlichen zeigen sich aber überzeugt, dass der Rückstand aufgeholt wird. „Es gibt Probleme, aber sie sind lösbar und werden gelöst“, sagte der amtierende Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider. Und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld sagte dem Tagesspiegel: „Bei einem Sanierungsfall dieser Größenordnung ist es tägliches Geschäft, dass manche Arbeiten länger dauern, andere dafür vorgezogen werden können.“ Entscheidend sei , dass der Gesamtplan zur BER-Eröffnung bis Ende 2017 stehe, „und das ist der Fall“.

Lesen Sie hier auch die neuen Erkenntnisse zum Fall Imtech. Und weil es so abenteuerlich ist: Ein früherer BER-Manager hat zugegeben, bestochen worden zu sein. Er hat offenbar auf einer Autobahnraststätte einen Umschlag mit 150.000 Euro in bar angenommen. Dafür hatte er Rechnungen in Höhe von 65 Millionen Euro durchgewunken. Den Bericht lesen Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.

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