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Kaltgetränke. Viktor Sucksdorf kümmert sich rund ums Jahr um den Weingarten am Britzer Koppelweg.

© Stefan Jacobs

Ärger um Neuköllner Wein: Buschkowsky will Weinberg räumen lassen

Auf einem einst wüsten Grundstück in Britz wachsen tausend Rebstöcke. Ein Förderverein und ein gelernter Kellermeister kümmern sich darum. Jetzt will der Bezirk die Fläche räumen lassen, obwohl er sie gar nicht braucht.

Neukölln ist überall: Einfamilienhäuser, Gartenkolonien, am Horizont Plattenbauten. Hier aber, auf knapp 5000 Quadratmetern am Koppelweg zwischen Britzer Garten und Teltowkanal, ist Weinbaugebiet. Obwohl – das darf man ja schon wieder nicht sagen! Also: Hier hegt der moldawische Spätaussiedler Viktor Sucksdorf auf einer einst vermüllten Brache gut 1000 Rebstöcke. Die reichen, um jährlich rund 1200 Flaschen zu keltern und Sucksdorfs Leben Sinn zu geben.

Hierher kommen Schulklassen zur Exkursion, hier werden Weinköniginnen gewählt, deutsch-russische Beziehungen gepflegt und nicht zuletzt das rathäusliche Depot bestückt, damit der Bürgermeister für Gäste und Jubilare ein originelles Präsent hat. Ganz herzlich dankte Heinz Buschkowsky 2012 dem aus Nachbarn und Sympathisanten entstandenen Förderverein fürs „große Engagement“ und pries den Tropfen vom „beschaulichen kleinen Britzer Weingut“.

Statt Pachtvertrag kam die Bitte um Räumung

Damals war es ein Grußwort, das Buschkowsky zum Zehnjährigen des Weingartens schickte. Jetzt hat er dem Verein wieder geschrieben. Die Weinfreunde wähnten den ersehnten Pachtvertrag mit dem Bezirk im Umschlag. Doch stattdessen bittet Buschkowsky „um zeitnahe Räumung des Geländes“. Seitdem fühlt sich Sucksdorf, als wollte der Bezirk ihm seine Kinder wegnehmen.

Neuköllner Tropfen. Rund 15 Rebsorten stehen im Weingarten in Britz. Einige Reben wurden sogar mit Fördermitteln vom Bezirk gepflanzt. Für kommerzielle Bewirtschaftung ist die Fläche zu klein.
Neuköllner Tropfen. Rund 15 Rebsorten stehen im Weingarten in Britz. Einige Reben wurden sogar mit Fördermitteln vom Bezirk gepflanzt. Für kommerzielle Bewirtschaftung ist die Fläche zu klein.

© Stefan Jacobs

Er ist Winzer „in sechster oder siebter Generation“ und hat eine sowjetische Ausbildung als Kellermeister, mit der er nur hier in der juristischen Grauzone etwas anfangen kann. Berlin ist laut deutschem Weingesetz nämlich kein Weinanbaugebiet. Deshalb darf hier auch nicht kommerziell gekeltert werden, sondern nur zu wohltätig- symbolischen Zwecken, wie es auch auf dem halben Dutzend anderen Berliner Weingütern vom Prenzlauer bis zum Kreuzberg passiert.

Hobbymäßiger Weinanbau auf höchstens 100 Quadratmetern gestattet

Buschkowksy verweist auf die Verordnung, die Weinbau zu Hobbyzwecken auf maximal 100 Quadratmetern dulde. Die Amtliche Weinkontrolle – die immerhin gibt es im weinfreien Berlin – dulde die Abgabe von Wein zu repräsentativen und wohltätigen Zwecken, nicht aber gegen Spenden. In Anbetracht dieser „eindeutigen Rechtslage“ könne das Bezirksamt keinen Pachtvertrag abschließen. Dabei haben die Weinfreunde ihren früheren Vertrag genau deshalb gekündigt, um die Verhältnisse zu ordnen. Zuvor waren sie mit der Projektagentur des Freundesvereins der Domäne Dahlem verbandelt, aber das verwirrte nur, wenn Beschäftigungsträger und Jobcenter Leute einstellen wollten oder straffällig Gewordene hier gemeinnützige Arbeit leisten sollten. Mit dem Bezirk als Partner sollte es einfacher werden – und nun das.

Das Stadtplanungsamt teilt auf Anfrage mit, das Grundstück werde vorsorglich als Schulstandort gesichert. Aber: „Eine konkrete Nutzungsabsicht für das Grundstück besteht zurzeit nicht.“ Im Verein sagen sie, die Schulplanung gebe es seit Jahrzehnten, und nach aller Erfahrung dürften bis zum Baubeginn noch viele Jahrgänge durch die Fässer im Laubenkeller gehen.

Während Sucksdorf zwischen den akkurat fixierten Reben durch den Schnee stapft, überlegen die Vereinsleute, ob und wann sie Buschkowskys designierte Nachfolgerin Franziska Giffey umgarnen. Die hat als Bildungsstadträtin nämlich den Neuköllner Schulleitern das Weingut als Exkursionsziel nahegelegt. Und am Freitag ist Buschkowskys letzter regulärer Arbeitstag.

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