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Hier wird kassiert. Auch wenn es noch dauert, bis am BER die Flugzeuge abheben, lohnt sich das Projekt schon jetzt für viele Firmen. Nicht immer geht es dabei legal zu.

© Hirschberger/dpa

Ärgernis Hauptstadtflughafen: Und noch ein Korruptionsfall am BER

Diesmal geht es um VIP-Karten für einen Mitarbeiter. Der Strafjustiz geht rund um die Baustelle die Arbeit nicht aus. Aktuell laufen 14 Ermittlungen.

Am Flughafen BER gibt es erneut einen Korruptionsfall, allerdings einen minderschweren: Nach Tagesspiegel-Informationen ermittelt die für Bestechungsdelikte im Land Brandenburg zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Neuruppin aktuell gegen einen Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB).

Der langjährige FBB-Angestellte soll sich von einem Dienstleistungsunternehmen, das zumindest zeitweise Aufträge am BER erhielt, zwei VIP-Karten für ein Handballspiel im Gesamtwert von 400 Euro schenken lassen haben. Die Flughafengesellschaft bestätigt den Fall. „Es gibt ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Zu laufenden Ermittlungen äußern wir uns nicht“, sagte Sprecher Lars Wagner. Der Vorgang geschah dem Vernehmen nach schon 2013, war aber erst später bei Ermittlungen gegen die Firma aufgeflogen, die aus anderen Gründen erfolgten. So kam es, dass das Verfahren gegen den FBB-Mann, der vor der Pensionierung stehen soll, erst 2016 eingeleitet wurde.

In einem Fall geht es sogar um versuchte Vergiftung

Insgesamt laufen um den BER nach Tagesspiegel-Recherchen damit aktuell bei drei brandenburgischen Staatsanwaltschaften 14 Ermittlungsverfahren wegen diverser Delikte, davon zwei wegen Korruption, zehn wegen Betrugs bei Abrechnungen, Nachträgen und Vergabeabsprachen sowie eins wegen Verdacht auf Vergabeabsprachen und eins wegen versuchter Körperverletzung – um einen gescheiterten Vergiftungsversuch bei einem BER-Ingenieur auf der Baustelle.

An die letzten größeren Kriminalfälle um den Flughafen, die bislang erst teilweise abgeschlossen sind, reicht der neue Fall damit nicht im Ansatz heran. So ist im Korruptionsskandal um den mittlerweile insolventen und verkauften holländischen Gebäudeausrüster Imtech Deutschland am Landgericht Cottbus schon 2015 Anklage gegen den früheren FBB-Prokuristen und Baubereichsleiter Francis G. sowie gegen drei frühere Manager des Konzerns, darunter Ex-Deutschlandchef Klaus B., wegen Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung im besonders schweren Fall eingereicht worden. Der Mann soll mindestens 150 000 Euro von Imtech erhalten haben, während dem Konzern im Gegenzug Abschlagszahlungen über 66 Millionen Euro kurz nach der Geldübergabe 2012/2013 ohne Rechnungsprüfungen überwiesen wurden.

Allerdings arbeitet die Justiz langsam, der Imtech-Prozess in Cottbus lässt nun bereits seit einem halben Jahr auf sich warten. Wann er beginnt, ist offen. Zwar hatte die Neuruppiner Staatsanwaltschaft bereits im Oktober 2015 Anklage eingereicht. Doch die Entscheidung über die Eröffnung der Hauptverhandlung am Landgericht Cottbus verzögert sich.

Da es ein umfangreiches Verfahren sei, müssten die Anwälte der Angeklagten jeweils erst Akteneinsicht nehmen, erläuterte ein Gerichtssprecher. Der holländische Gebäudeausrüster Imtech war bis zur Insolvenz eine der wichtigsten Baufirmen am neuen Flughafen, dessen Fertigstellung sich seit der geplatzten Eröffnung 2012 Jahr für Jahr verzögert. Offiziell hält Flughafenchef Karsten Mühlenfeld aktuell weiter an einem BER-Start bis Ende 2017 fest, was angesichts aller gerissenen Termine im Zeitplan und noch ungelöster Probleme etwa um die Entrauchung zwischen dem Terminal und dem darunter liegenden Tiefbahnhofs nach Tagesspiegel-Recherchen aber auf der Baustelle selbst als aussichtslos gilt.

Alle aufgeflogenen Fälle betreffen die Chaosjahre seit 2012

Auffällig ist, dass alle aufgeflogenen BER-Korruptionsfälle die Chaosjahre seit der geplatzten Eröffnung 2012 betreffen, in denen es am Flughafen oft drunter und drüber ging und die Manager wechselten. Im Oktober 2014 war der frühere BER-Technikchef Jochen Großmann vom Landgericht Cottbus zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe von 200 000 Euro verurteilt worden, weil er in einem Vergabeverfahren im Zusammenhang mit der BER-Brandschutzanlage von einer Firma Bestechungsgeld von einer halben Million Euro gefordert haben soll.

Großmann war vom damaligen BER- Chef Hartmut Mehdorn an den Flughafen geholt worden, um die als „Monster“ geltende Entrauchungsanlage funktionstüchtig zu machen. Sein Plan, die zentrale Anlage in drei einzelne, besser beherrschbare Abschnitte zu teilen, wird weiterhin umgesetzt. Als Konsequenz aus dem Großmann-Skandal hatte der Flughafen die frühere Staatsanwältin Elke Schaefer als Compliance-Officer angeheuert.

Die BER-Baustelle ist für Firmen offenbar auch lukrativ, solange der Airport nicht öffnet. Dafür sprechen auch die acht laufenden Verfahren bei drei brandenburgischen Staatsanwaltschaften, bei denen es um überhöhte Abrechnungen geht, in einem Fall auch um Vergabeabsprachen. Mit den neuen 2,2 Milliarden Euro, die von 2016 bis 2020 in Fertigstellung und erste Erweiterungen des bereits viel zu kleinen Airports fließen sollen, steigen die Baukosten auf 6,5 Milliarden Euro. Allein seit 2012 sind von der öffentlichen Hand 3,6 Milliarden Euro für den BER bewilligt worden, der ursprünglich 2,5 Milliarden Euro kosten sollte.

Ermittlungen gegen Siemens-Konzern

Um den Verdacht eines Abrechnungsbetruges in Millionenhöhe, nicht um Korruption, geht es auch in jenem Ermittlungsverfahren am BER, bei dem ein deutscher Dax-Konzern seit August 2015 im Visier der Strafjustiz steht: Die auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen Verantwortliche des Siemens-Konzerns und frühere Flughafenmitarbeiter.

Bei diesen Ermittlungen geht es darum, dass Siemens 1,9 Millionen Euro in den Jahren 2013 und 2014 für nicht erbrachte Leistungen abgerechnet und kassiert haben soll. Die mehr als 1000 Seiten umfassende Anzeige hatten die Flughafengesellschaft und der Siemens-Konzern im August 2015 selbst erstattet, nachdem die Flughafeninnenrevision bei Siemens-Rechnungen Ungereimtheiten festgestellt hatte.

Im Vergleich zu den Summen, die bei den Fällen Imtech, Großmann und Siemens bekannt wurden, sehen die VIP-Karten für ein Handballspiel eher nach einer Dummheit aus. Korruptionsbekämpfer weisen allerdings regelmäßig darauf hin, dass Vorteilsnahme klein anfängt.

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