zum Hauptinhalt
Mario Czaja (37) ist seit November 2011 Berliner Senator für Gesundheit und Soziales. Zuvor saß der Diplom-Betriebswirt für die CDU im Abgeordnetenhaus.

© Mike Wolff

Ärztemangel in Berlin: Gesundheitssenator will Praxen besser verteilen

Zwischen niedergelassenen Ärzten und Gesundheitssenator Mario Czaja zeichnet sich handfester Streit ab. Der Senator will die Praxen in Berlin anders verteilen – die Funktionäre der Branche geben ihm eine Absage.

Zwischen niedergelassenen Ärzten und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) zeichnet sich handfester Streit ab. Nachdem Czaja, wie berichtet, darauf gedrängt hatte, Arztpraxen besser in der Stadt zu verteilen, hat am Dienstag die Kassenärztliche Vereinigung (KV) eigene Pläne vorgestellt – und die widersprechen denen des Senators erheblich.

Die KV, der alle 9000 in Berlin niedergelassenen Ärzte und Therapeuten angehören müssen, wenn sie gesetzlich Versicherte versorgen, hat mit den Krankenkassen folgendes vereinbart: Praxen sollen zwar dort verstärkt angesiedelt werden, wo mehr Alte und Kranke wohnen. Allerdings ohne Berlin bei der Ärzteverteilung auf seine Bezirke runterzubrechen. Eine kleinräumige Planung wie von Czaja bevorzugt, sei problematisch.

Hinzu kommt, dass auch Armut ein Faktor in Czajas Bedarfskalkulation ist, es soll also dort mehr Praxen geben, wo sich bislang weniger Mediziner niederließen. KV-Vize-Chef Uwe Kraffel sagte dazu: Czaja habe bei seinen Berechnungen mit alten Zahlen gearbeitet, die Analyse des Senators sei folglich überholt. Dass die Zahlen zu Praxen und Patienten teilweise von 2007 stammten, hatte der Senator selbst bemängelt – Grund sei allerdings, dass die für die Daten zuständige KV trotz Nachfrage keine aktuelleren Zahlen rausgerückt habe. Ein Schriftverkehr, der dem Tagesspiegel vorliegt, bestätigt diese Annahme.

Kritiker warfen der KV immer wieder vor, nicht für alle Mitglieder zu sprechen. Innerhalb der Vereinigung haben spezialisierte Fachärzte viel Einfluss. Und gerade sie sind vor allem im Westen der Stadt konzentriert. Im Osten, Neukölln und Mitte aber fehlen viele Fachärzte, Patientenvertreter befürchten, Kranke müssen deshalb viel zu oft durch die Stadt fahren, um einen Termin zu bekommen. Laut Senator müsste jeder dritte Hausarzt in einen anderen Kiez umziehen, ginge es sozialer zu. Das wollen so aber weder KV noch Krankenkassen. In Neukölln und Treptow-Köpenick hatten sich unter anderem deshalb Anwohner zu einer Bürgerplattform zusammengeschlossen. Sie beklagen in ihren Kiezen „vollere Praxen, längere Wartezeiten, weitere Anreisewege und häufigere Abweisungen zum Quartalsende“.

Bei Gesprächen über die Gesundheitsversorgung sitzen Politikern selbstbewusste Standesvertreter gegenüber.
Bei Gesprächen über die Gesundheitsversorgung sitzen Politikern selbstbewusste Standesvertreter gegenüber.

© dpa

Die KV-Pläne werden in den kommenden Wochen im zuständigen Landesgremium geprüft, dem Vertreter des Senats und der Kliniken angehören. Sie können auf Fehler hinweisen, dürfen aber keine verbindlichen Anweisungen geben. Ein grundsätzliches Problem dürfte sein, dass alteingesessene Ärzte rechtlich nicht zum Umzug gezwungen werden können. Die Opposition im Abgeordnetenhaus fordert ebenfalls eine andere Verteilung. Der Gesundheitsexperte der Grünen, Heiko Thomas, unterstützt Czaja in seinem Bemühen zwar: Allerdings habe der Senator vergeblich versucht, mit dem Mächtigen der Branche „im Hinterzimmer“ zu verhandeln. Nun sollte Czaja „aus der Not eine Tugend machen und sich an die Spitze einer öffentlichen Bewegung setzen“.

Vorerst sprechen die Spitzen der beteiligten Einrichtungen weiter auf internen Treffen miteinander. An diesem Mittwoch sehen sich Senator Czaja und KV-Vize-Chef Kraffel zu einer Sitzung. Dabei soll es wieder mal um die Arztpraxen in der Stadt gehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false