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Zeigefreudig. Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland hat es mit seinem Landesverband nicht leicht – und fühlt sich zu bundespolitischen Aufgaben berufen.

© Marijan Murat/dpa

AfD in Brandenburg: Gaulands seltsame Truppe

Wunderheiler und Verschwörungstheoretiker: Ein AfD-Abgeordneter spricht über seltsame Parteifreunde: Alexander Gauland hält das für nicht angemessen.

Er klingt nicht erbost, eher ermüdet. „Ich nehme das gelassen. Ich halte die Diagnose von Herrn Wiese für nicht angemessen“, sagt Alexander Gauland, Brandenburgs AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzender. „Er ist in der Fraktion eine Art urige Figur. Seine Analysen sind aber nicht korrekt.“ Gauland, 75 Jahre, hat inzwischen Routine, in wohlgesetzten Worten extreme Ausschläge aus den eigenen Reihen herunterzuspielen, die er nicht selbst provoziert hat.

Der aktuelle Vorgang hat es in sich – zumindest für die eher straff geführte Landes-AfD, deren Reihen sonst geschlossen sind. Aber nun hält der Abgeordnete Franz-Josef Wiese, 63 Jahre, Unternehmer, einst aus Bayern nach Brandenburg gekommen, der Gauland-Partei einen Spiegel vor. „Ich glaube, die meisten AfD-Wähler wissen gar nicht, was für Leute bei uns sind. Ich habe es selbst erst später erfahren“, sagte Wiese der „Bild“-Zeitung über die Brandenburger AfD, die 2014 mit 12,2 Prozent in den Landtag einzog und in Umfragen aktuell mit 19 Prozent gleichauf mit der Union liegt. Und dann berichtete Wiese etwa von Wunderheilern, Leuten mit Verfolgungswahn, Verschwörungstheoretikern, die sich im einst von ihm mitgegründeten Kreisverband Märkisch-Oderland tummeln würden. Er kritisierte, dass die Landtagsabgeordneten Birgit Bessin und Andreas Kalbitz, der auch Vize-Parteichef ist und als Gaulands „Kronprinz“ gilt, den früheren NPD-Mann und deshalb aus der AfD geflogenen Alexander Salomon als Mitarbeiter eingestellt hätten. Beide hätten dies der Fraktion verschwiegen. Das habe ihn „erschüttert.“ Freilich, auch Wiese ist kein unbeschriebenes Blatt. Jetzt wurde publik, dass er 2013 einen Offenbarungseid geleistet hat, was er zunächst sogar bestritt.

Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Das Sittengemälde erinnert an die Erschütterungen nach der Landtagswahl 2014, als der damalige AfD-Abgeordnete Stefan Hein aus der AfD-Fraktion flog, weil er – Sohn der Lebensgefährtin Gaulands – den „Spiegel“ mit Interna über die rechtsextreme Vergangenheit von fünf Abgeordneten spickte. Aktuell sorgt auch Uckermarck-Kreischef Jan-Ulrich Weiß wieder einmal für Schlagzeilen, der als Nächstes in die Landtagsfraktion nachrücken würde, falls irgendjemand sein Mandat abgibt. Der 41-jährige Weiß wird wegen eines antisemitischen Posts bei Facebook im Stil des „Stürmer“ demnächst wegen Volksverhetzung angeklagt. Gauland hatte 2015 versucht, Weiß deshalb aus der Partei zu werfen, scheiterte aber vor dem AfD-Bundesschiedsgericht. Jetzt gibt es neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Weiß, wegen Steuerhinterziehung und Schmuggel, weil er an Zigarettenschmuggel in großem Stil beteiligt sein soll. Gauland hält sich diesmal zurück. Er will zunächst kein neues Parteiausschlussverfahren anstrengen. „Das ist jetzt Sache der Justizbehörden. Ich fälle kein Urteil über Dinge, die ich nicht kenne. Das müssen erst Staatsanwalt und Gerichte tun“, sagt er. Es solle nicht der Eindruck einer Vorverurteilung durch die Partei entstehen. „Und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen handelt sich immer mal jemand ein.“ Dies sei eine lange Erfahrung, die er auch in seiner Zeit vor der AfD gemacht habe. Damals war Gauland viele Jahre Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ in Potsdam, wo er in der gutbürgerlichen Berliner Vorstadt lebt.

Gauland sucht die bundespolitische Ebene

Auch in Potsdam machen seine Parteifreunde momentan Ärger. Gerade haben dort zwei AfD-Stadtverordnete die Absetzung eines Stücks am Hans Otto Theater gefordert, weil es davon handelt, wie Menschen aus humanitären Gründen illegalen Einwanderern helfen. Es ist ein Stück, das noch nicht einmal uraufgeführt ist. Hier geht Gauland zumindest auf Distanz. „Ich glaube nicht, dass das Absetzen von Theaterstücken etwas ist, was uns und die politische Diskussion voranbringt.“

Und Gauland selbst? Schon länger vermittelt er eher den Eindruck, als ob Brandenburgs Politik für ihn zunehmend zu klein, zur Pflichtübung wird. Im Landtag selbst meldet er sich selten zu Wort. Er machte wochenlang Landtagswahlkampf in anderen Bundesländern, vor allem in Baden-Württemberg. Seit Monaten sucht Gauland eher die bundespolitische Bühne, mit Auftritten und Aussagen zu Merkels Flüchtlingspolitik, zur Ausrichtung der Bundespartei, wo er ein Sprecher ist. Seine Mission sieht er in der Bundespartei. Ist er fest entschlossen, mit der Bundestagswahl 2017 in den Bundestag zu gehen, wie er es jüngst signalisierte? Er antwortet darauf, dass er das „erst in einem Jahr entscheiden“ will, wenn die Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt werden. Aufhorchen lässt dabei die Begründung. „In meinem Alter ist das eine Frage der Gesundheit. Wenn ich gesund bleibe, noch beieinander, dann habe ich Interesse“, sagt der 75-jährige, der 2015 wegen einer Erkrankung wochenlang ausgefallen war. „In meinem Alter sind die Zeiträume kürzer, in denen man so etwas planen kann.“

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