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Mit einem Laken im Foyer haben sich Schüler der Steglitzer Fichtenberg-Schule positioniert.

© Andreas Steine

Unterschriftensammlung gegen AfD-Portal: Senatorin Scheeres in der Kritik

Im Lehrerzimmer wurden Unterschriften gegen eine AfD-Aktion gesammelt. Ist das erlaubt? In Berlin beginnt ein Streit um die Auslegung einer Vorschrift.

Was dürfen Lehrer tun, um sich gegen das AfD-Beschwerdeportal zu wehren? Über diese Frage ist ein Streit zwischen der Senatsverwaltung für Bildung und Personalvertretern entbrannt, nachdem ein Grundschulleiter in Tempelhof-Schöneberg eine Unterschriftensammlung im Lehrerzimmer untersagt haben soll.

„Hier geht es um ein Bürgerrecht“, positionierte sich am Donnerstag Dieter Haase, Vizevorsitzender des Gesamtpersonalrats. Wenn Lehrer sich gegen ein Portal, das ihre Persönlichkeitsrechte verletze, zu Wehr setzen wollten, sei das ohne Frage auch im Lehrerzimmer möglich. Offenbar mangele es der Bildungsverwaltung an Mut, wenn sie mit Hinweis auf eine Verwaltungsvorschrift dem Schulleiter recht gebe, findet Haase. Er verweist zudem auf einen Ausnahmepassus in besagter Vorschrift. Er lautet: "Die Rechte der Personalvertretungen und der Schwerbehindertenvertretung, der Frauenvertreterinnen sowie der Gewerkschaften und Berufsverbände bleiben unberührt". Warum die Bildungsverwaltung diesen Passus im vorliegenden Fall nicht gelten lässt, kann Haase nicht nachvollziehen. Eine Reaktion der Bildungsverwaltung auf Haases Einwand blieb bis zum Abend aus.

GEW sieht einen Fall „vorauseilenden Gehorsams“

Wie berichtet argumentiert die Behörde von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit der Verwaltungsvorschrift über „Werbung, Handel, Sammlungen und politische Betätigung in und mit Einrichtungen des Landes Berlin“, kurz: „VV Werbung“. Dort ist zu lesen, dass eine „Vermischung von politischer Betätigung mit Aktivitäten der Berliner Verwaltung nicht statthaft ist. Unterschriftensammlungen dürfen nicht durchgeführt werden“. Auch Werbung „für und durch“ Parteien oder Bürgerinitiativen ist demnach verboten.

„Diese Vorschrift greift im vorliegenden Fall gar nicht“, sagt Haase und bekommt recht vom Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Tom Erdmann. Erdmann verweist zur Bekräftigung auf das Grundgesetz, wonach zur „Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen“ Koalitionen gebildet werden dürfen. Man müsse auch kein Personalratsmitglied sein, um einen offenen Brief auszulegen und Unterschriften zu sammeln. Wer so etwas zu verhindern suche, übe sich in „vorauseilendem Gehorsam“, sagte er im Hinblick auf den Grundschulleiter. Erdmann berichtete noch von einem weiteren Fall an einer weiterführenden Schule, wo ein Schulleiter ebenfalls mit einem Verbot reagiert haben soll, als Schüler sich plakativ von der AfD distanzieren wollten.

Weitere Unterschriftenlisten im Gespräch

"Das ist mal wieder so eine SPD-schwanzeinziehende-Interpretation des Schulrechtes durch die Bildungsverwaltung", befand am Donnerstag Pit Rulff, der langjährige Gewerkschafter und Schulleiter. Die Unterschriftensammlung richte sich gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an der Schule durch das AfD-Portal. Somit sei es eine im weiteren Sinne gewerkschaftliche Aktion, die erlaubt sei: "So einfach ist das", betont Rulff. Wie berichtet, will die AfD bereits Schulen wegen Beschwerden kontaktiert haben. "Wenn Schulleiter da schon nicht einfach mal machen, was sie für richtig halten - dann habe ich sorge um die Zukunft von politischer Bildung", meldete sich der Pädagoge und Schulreformer Jens Großpietsch zu Wort.

Konkret ging es um den Aushang und die Unterschriftensammlung für einen offenen Brief von Charlottenburger Lehrern, die sich gegen das AfD-Portal positionieren wollten. Publik gemacht wurde er durch die Lehrerinitiative „Bildet Berlin!“. Deren Gründer, Florian Bublys, kündigte am Donnerstag an, auch Schüler und Eltern in die Unterschriftenaktion einzubeziehen. Auch die Kreuzberger Lina-Morgenstern-Schule hatte sich mit "Selbstanzeigen" zu Wort gemeldet und findet inzwischen wie berichtet sogar an der Uni Leipzig Nachahmer.

Die Schulaufsicht geht der Sache nach

Den Fall in Tempelhof-Schöneberg hatten die grüne Bezirksschulpolitikerin Martina Zander-Rade und ihr BVV-Amtskollege von der SPD, Kevin Kühnert publik gemacht. Sie appellierten an die Verwaltung von Scheeres, Schulleiter daran zu erinnern, dass die Meinungsfreiheit „auch in den Lehrerzimmern gilt". Scheeres sagte daraufhin, sie habe „Verständnis dafür, dass sich Lehrkräfte gegen das Portal wehren“. Auch seien Lehrerzimmer „keine debattenfreie Zonen, sondern gerade auch Orte, an dem ein demokratischer Diskurs ausgetragen werden kann“. Gleichzeitig betonte aber ihre Sprecherin Beate Stoffers, bereits am Mittwoch, dass „Unterschriftensammlungen nicht in die Kompetenzen von Personalrat, Frauenvertretung etc. fallen“, weshalb die Ausnahmeregelung aus der "VV Werbung" in diesem konkreten Fall nicht greife.

In dieser Richtung äußerte Scheeres sich auch im Parlament am Donnerstag. Ob es dabei bleibt, wird sich zeigen. Dem Vernehmen nach geht die Schulaufsicht der Sache jetzt nach, um das konkrete Geschehen im Lehrerzimmer rekapitulieren zu können.

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