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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) während einer der Sitzung des Abgeordnetenhauses.

© dpa

Affäre um Andrej Holm: Müller: Der Start von Rot-Rot-Grün ist vermasselt

Rot-Rot-Grün ist schwer angeschlagen: Nach dem Rücktritt des Baustadtrats Holm beklagt der Regierende Bürgermeister Müller fehlendes Vertrauen der Koalitionspartner.

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Nach dem Rücktritt des umstrittenen Berliner Baustadtrats Andrej Holm hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) einen Fehlstart seines rot-rot-grünen Senats eingestanden. Im SPD-Landesvorstand, der am frühen Montagabend tagte, sagte Müller: „Der Start von Rot-Rot-Grün ist vermasselt.“ Er habe außerdem gesagt, dass das Vertrauen der Koalitionspartner fehle, berichteten Teilnehmer der Sitzung. Der wegen des Umgangs mit seiner Stasi-Vergangenheit kritisierte Stadtsoziologe Holm war am Morgen zurückgetreten, nachdem Müller bereits am Freitag die Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) aufgefordert hatte, Holms Entlassung vorzubereiten. Müller nahm nun den, wie er es nannte, „angekündigten Rückzug zur Kenntnis“. Der Senat werde an diesem Dienstag die Entlassung Holms beschließen.

Holm selbst gab insbesondere der SPD die Schuld an der Koalitionskrise. „Die Koalition selbst steht an einem Scheideweg“, sagte er. Holm kritisierte in seiner Erklärung auch die Grünen, die sich hinter Müllers Entscheidung gestellt hatten, sowie die Medien. Eigene Fehler benannte Holm nicht.

Die Linke bedauerte, dass Andrej Holm der politische Rückhalt in der SPD gefehlt habe. Mit dessen Rücktritt seien die koalitionsinternen Probleme auch nicht vom Tisch: Es gehe um die Zusammenarbeit auf Augenhöhe und die Glaubwürdigkeit. Zeitnah soll ein Koalitionsausschuss einberufen werden.

Der Koalitionsstreit in Berlin wird im Bundestagswahljahr 2017 auch von den Parteien in Bund und Ländern aufmerksam verfolgt. Zwar wollte die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley keine offizielle Bewertung abgeben. „Das ist eine Landesangelegenheit.“

Die Bundespolitiker sind alarmiert

Doch auf dem linken Parteiflügel gibt es Befürchtungen, dass der schlechte Start des Dreierbündnisses in der Hauptstadt die Strahlkraft von Rot-Rot-Grün auf Bundesebene gehörig mindern könne. Es gebe die Erwartung, so heißt es in SPD-Kreisen, „dass die Probleme in Berlin so geklärt werden, dass R2G ein gutes Beispiel für den Bund werden kann“. Der linke SPD-Flügel will eine Fortsetzung der großen Koalition nach der Wahl im September verhindern. Auch für die Linke im Bund ist Rot-Rot-Grün in Berlin von hoher strategischer Bedeutung. Entsprechend zurückhaltend fallen die Kommentare aus. So rät der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, den Genossen im Bund, auf Ratschläge möglichst zu verzichten. Und die thüringische Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow zeigt sich besorgt, „dass in Berlin möglicherweise ein Schaden entstanden ist, der nicht wiedergutzumachen ist“. In Thüringen regiert ein Dreierbündnis unter Führung der Linken.

Holm war vor allem die Tatsache zum Verhängnis geworden, dass er bei seiner Anstellung an der Humboldt-Universität 2005 seine hauptamtliche Stasi-Tätigkeit als Jugendlicher während der Wende 1989/90 verneint und die falsche Angabe gemacht hatte, bloß Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ absolviert zu haben. Bis zum Mittwoch prüft die Uni arbeitsrechtliche Konsequenzen – und entscheidet damit über Holms wissenschaftliche Karriere. Sollte die HU ihn tatsächlich kündigen, hätte Holm allerdings gute Chancen, sich einzuklagen, meinen Rechtsexperten.

Insbesondere Holms Erinnerungslücken hatten zu Rücktrittsforderungen bei SPD und Grünen geführt. Er berief sich darauf, die falschen Angaben hätten 2005 auf seinem damaligen Wissensstand und „seinem Selbstbild“ beruht. Holm hatte angegeben, während seiner Stasi-Zeit in einer Schreibabteilung Betriebsberichte zusammengefasst und verfasst zu haben.

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