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Zu früh gefreut. In der Einflugschneise des Flughafens Tegel sind die Anwohner bereits auf Stille eingesellt. Jetzt bleibt es bis auf Weiteres laut. Foto: dpa/Rainer Jensen

© dpa

Airport BER startet später: Fluglärmfrust in Pankow, Ruhe im Süden

Im Norden Berlins herrscht Frust darüber, dass die Flugzeuge den ganzen Sommer weiter lärmen. Im Süden dagegen Freude - weil die Menschen noch einmal die Stille genießen können.

Sekt und Pferdekutsche sind bestellt. Den ersten flugzeugfreien Tag wollten sie feiern am 3. Juni im „Café Canapé“ in Pankow. Auf einer Tafel an der Hauswand hatte Inhaberin Renate Laurentius seit Herbst die Tage heruntergezählt bis zum ersehnten Ende der Flugzeugdröhnung. In Stoßzeiten alle zwei Minuten und weniger donnern die Flieger auf dem Weg nach Tegel lautstark über das Pankower Zentrum hinweg, in einer Höhe von 150 bis 200 Metern. Nun steht auf der Tafel ein großes Fragezeichen. „Hier sind alle sauer“, sagt Laurentius, „unvorstellbar, wie das passieren kann. Und wir bekommen ja noch mehr Flieger als jetzt.“ Feiern wollen sie am 3. Juni trotzdem – und später ohne Flieger noch einmal.

Fotostrecke: Etappen der Entstehung des Airports BER

In der Einflugschneise des Flughafens Tegel – von Spandau bis nach Pankow – sind viele verärgert, dass nun doch erst einmal keine Ruhe einkehrt, sondern erst nach den Sommerferien, vielleicht auch noch später. Denn trotz aller Gewöhnung an die Flieger warten sie auf das Ende des Turbinenlärms. „Man hat den Moment herbeigesehnt“, sagt Horst Mellentin, 70, er wohnt seit 50 Jahren in der Einflugschneise in Pankow. Nun hofft er auf einen warmen Herbst in seinem Garten in der Kleingartenanlage am Schlosspark. „Um dann beim Grillen die flugzeugfreie Ruhe zu genießen.“ Wie im Mai 2010, als wegen der Aschewolke des isländischen Vulkans keine Flieger starten konnten.

Spaziergänger genießen die Stille

Im Süden hingegen freuen sich viele Anwohner über ein bisschen Ruhe, wenigstens noch in diesem Sommer, bevor dann BER öffnet. Spaziergänger genießen in Friedrichshagen die Stille, kehren in den Restaurants oder Strandbars ein oder warten auf die Abfahrt des nächsten Fahrgastschiffes. „Die Pleite der Flughafens kommt uns zugute“, sagt Hermann Gutske, der mit seiner Frau auf einer Parkbank den Blick aufs Wasser genießt. „Wenigstens diesen Sommer werden wir also vom Krach der Flugzeuge verschont“.

Es ist eine typische Meinung am Mittwoch im Südosten. Seit fast einem Jahr protestieren die Friedrichshagener gegen die Flugrouten über den Müggelsee. Selbst das Denkmal Friedrich II. auf dem Marktplatz an der Bölschestraße trägt am Arm und um den Kopf ein blaues Band als Zeichen des Kampfes um die Verschonung der Region vor den tief fliegenden Maschinen. „Am liebsten wäre mir, wenn der Chaos-Flughafen gar nicht öffnet“, meint Katharina Gebhardt, die den Markttag zum Einkauf von frischem Obst und Gemüse nutzt. „Tegel und Schönefeld können doch den Flugbetrieb alleine bewältigen, wie sich jetzt zeigt.“

Fotostrecke: Wie der neue Airport aussehen wird

Die Friedrichshagener Bürgerinitiative, die schon mehr als 40 Montagsdemonstrationen organisierte, will die Verzögerung des Eröffnungstermins nicht feiern. „Diese kostet schließlich den Steuerzahler viele Millionen Euro, die dann bei anderen Projekten in Berlin und Brandenburg fehlen werden“, sagte ein Sprecher. „Aber natürlich genießen wir nun die etwas längere Ruhe.“ Gleichzeitig werde die Zeit genutzt, um erneut auf die wichtigsten Ziele aufmerksam zu machen: Nachtflugverbot, zügiger Lärmschutz, Änderung der Flugrouten zugunsten des Gesundheitsschutzes der Bürger und keine Erweiterung von BER. Sogar an den geplanten Protestdemonstrationen am 24. Mai und 3. Juni werde die Bürgerinitiative festhalten, hieß es.

"Wenigstens diese Sommersaison ist gerettet!"

So wie in der Bar „Gestrandet am Müggelsee“ sieht man den kommenden Wochen mit Ungewissheit entgegen. „Niemand weiß, wie stark der Fluglärm wirklich ausfällt“, meint der Wirt Michael Rahn. „Wenigstens diese Sommersaison ist gerettet.“ Alles Weitere werde sich zeigen. Seine Gäste, die die Sonne und die Ruhe am Müggelsee genießen, stimmen ihm nickend zu.

Im Norden hingegen herrscht Frust. Nicht nur bei den Gartenbesitzern, sondern auch im Kinderbauernhof Pinke Panke am Bürgerpark. „Wir wollten mit den Kindern feiern“, sagt eine Betreuerin. Bisher mussten sie gegen den Krach anschreien, beim Sprechen Pausen machen, Theateraufführungen kurz unterbrechen. „Eine Katastrophe, der Lärm ist extrem“, sagt Anwohnerin Tanja Kschinschig, 44. Und im Kulturgarten K4 wird das Bild bei der Übertragung der Fußball-EM nun doch wieder ab und zu gestört werden, wenn Flieger kommen – eigentlich wäre die Stilllegung Tegels ja ganz recht gekommen zum EM-Start. Das Turnier beginnt am 8. Juni.

Die Kinder in der Kita Schlossparkspatzen dagegen würden sich freuen, sagt Leiterin Karin Hartrott. „Die gucken gerne, welche Airline aus welchem Land gerade anfliegt.“ Es sei schlimm, dass durch die Verzögerung viel Geld verbrannt werde. Hartrott freut sich auf die Ruhe, die sie nicht kennt. Doch nicht nur in Pankow zweifelt man daran, ob die wirklich im Herbst einkehren wird.

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