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Illustration aus dem "Masterplan 2040" der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. Wohnen und Arbeiten am Hauptterminal.

© Flughafen Berlin Brandenburg/AMD-ASTOC

AirportCity am BER: Wie Berlins Flughafen Geschäfte zwischen den Einflugschneisen anbahnen will

Am BER träumt man schon jetzt von der Zeit nach der Pandemie: Wann erwacht die Airport City zum Leben?

Man braucht derzeit schon ein wenig mehr Phantasie, um sich vorzustellen, wie es im und am neuen Hauptstadtflughafen aussehen könnte, nachdem die Welt wieder zum Normalbetrieb zurückkehrt, Menschen wieder reisen und Geschäfte machen. Einer der neusten und dann wichtigsten Orte in der Region könnte die Airport City am Flughafen sein. Sie hat viele erfolgreiche Vorbilder in anderen Städten.

Vielerorts hat sich an Flughäfen mit den Jahren ein Mikrokosmos aus Hotels, Logistikfirmen und Unternehmen gebildet. So wurden Airports zu regionalen Wachstumsmotoren, die Jobs, Umsätze und Infrastruktur generieren. Die heutigen Airport Cities sind somit nicht nur das Resultat aus steigenden Passagierzahlen, sondern kommen zugleich auch den Wunsch vieler Reisende nach Unterhaltungsangeboten, Shops und effizienter Infrastruktur nach.

Der Erfolg von Airport Cities mit den angrenzenden Flughäfen liegt zweifelsohne in einer Infrastruktur, die auf städtischen Vorbildern beruht. Der Erfolg hängt aber auch von der guten Erreichbarkeit und Sicherheit ab. Zudem müssen Flughäfen – in Analogie zu organisch gewachsenen Städten – ihre Infrastruktur ständig anpassen und erneuern, um den Bedürfnissen der Reisenden und Bewohner gerecht zu werden. In Deutschland gibt es bereits Airport Cities an den größten deutschen Flughäfen in Frankfurt am Main, München und Düsseldorf. Mit dem Großflughafen BER in Schönefeld entsteht nun auch in der Hauptstadtregion eine Airport City – im Grunde genommen sind sogar zwei in Planung.

Das neue Dienstleistungszentrum am Flughafen ist gut an dem Verkehr angebunden. Das Terminal 1 ist sowohl mit dem unterirdischen Fern- und Regionalbahnhof als auch direkt mit der Airport City verbunden und ist zudem fußläufig erreichbar. Insgesamt sollen auf dem 100.000 Quadratmeter umfassenden Gelände zwischen dem BER Terminal 1 und dem ehemaligen Flughafen Schönefeld (heißt jetzt BER Terminal 5) in den kommenden Jahren 267.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche errichtet werden.

In der Airport City soll es einen Mix aus Büronutzungen, Hotels und Gastronomie, Tagungen und Kongresse sowie Gesundheit und Wellness geben. Das neue Zentrum soll auf dem zentral gelegenen Willy-Brandt-Platz entstehen, auf dem ein Gebäude mit bis zu sechs Geschossen realisiert werden können.

Nach Angaben der Berliner Flughafengesellschaft konnten erste Entwicklungsprojekte in der Schönefelder Airport City bereits realisiert werden. So hat zum Beispiel der Projektentwickler Fay Projects in Zusammenarbeit mit der Firma Goldbeck im September mit den Bauarbeiten für das 14.300 Quadratmeter umfassende Flexgate begonnen. Das Konzept sieht flexible Büroflächen für vielfältige Nutzungsanforderungen, wie Einzel-, Kombi- oder auch Großraumbüros ebenso wie Ruhe-, Kreativ- oder Gemeinschaftsbereiche vor. Im Zuge der Entwicklung wurden rund 2200 Quadratmeter an den Workspace-Anbieter Collection Business Center vermietet.

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Bereits in Betrieb genommen wurde auf einer Fläche von rund 3,3 Hektar ein Luftfrachtzentrum zur Abfertigung von Beiladefracht, welches über eine Startkapazität von rund 100 000 Tonnen Fracht im Jahr verfügen soll. Das Baufeld des Frachtgebäudes liegt zentral auf dem Flughafengelände in der Service Area North östlich der Airport City. Die Service Area South ist dagegen das Quartier für flughafenaffine Nutzungen. Der Standort bietet auf 39 Hektar vielfältige Entwicklungsperspektiven auf der Land- und auf der Luftseite. Zahlreiche luftverkehrsnahe Einrichtungen wie Bodenverkehrsdienste, Sicherheitsdienste und Energieversorger sind bereits vor Ort.

Schallisolierte Hotelzimmer direkt am Terminal

Ferner hat der Projektentwickler ECE gemeinsam mit der Steigenberger-Gruppe (Deutsche Hospitality) ein Vier-Sterne-Superior Hotel eröffnet. Das Steigenberger Airport Hotel, welches in unmittelbarer Nähe des Terminals liegt, wird über 322 schallisolierte Zimmer verfügen und bietet ein Restaurant mit angeschlossener Bar sowie einem Spa- und Wellness- und Fitnessbereich und einem Konferenzzentrum mit elf Meetingräumen für Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen. Neben dem Steigenberger wird direkt vor dem Terminal 1 ein 3-Sterne-InterCityHotel entstehen. Das sechsgeschossige Hotel werde mit rund 14 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche über 357 Zimmer, einen großen Spa-Bereich, 450 Quadratmeter Konferenzfläche sowie ein Restaurant mit Bistrolounge verfügen. Die Eröffnung wird im Frühjahr 2022 erwartet.

Viele Städte haben das Potenzial von Flughäfen als wirtschaftlichem Motor für urbane Zentren erkannt. Zu denen gehört auch der Frankfurter Flughafen mit seinem futuristischen Gebäude „The Squaire“. Zu den großen Ankermietern zählen die Beratungsgesellschaft KPMG sowie zwei Hotels der Hilton-Gruppe. Gleichzeitig werden Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Autowäsche und Textilreinigung angeboten. Das Konzept „New Work City“ verspricht, Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen.

Simulation der Airport-City am BER: Die Flughafen planen für die Zeit nach der Corona-Pandemie.
Simulation der Airport-City am BER: Die Flughafen planen für die Zeit nach der Corona-Pandemie.

© Flughafen Berlin Brandenburg/AMD-ASTOC

Ein weiteres Vorzeigemodell einer Airport City ist der neue Flughafen Istanbul. Nach Fertigstellung der letzten Bauphase im Jahr 2027 soll er mit insgesamt sechs Landebahnen und 1,5 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche der größte Flughafen weltweit sein und bis zu 225 000 neue Arbeitsplätze schaffen. In seinem Umfeld entsteht auf rund 700 Hektar eine neue Stadt mit Wohneinheiten, Büros und Hotels, die unmittelbar am Puls der globalen Wirtschaft gelegen ist. Ein Hochgeschwindigkeitszug soll Reisenden Kurztrips ins „alte“ Istanbul ermöglichen, während Anwohner damit bequem die neue Airport City besuchen können.

Vorbild sind die Flughäfen der internationalen Business-Welt

Zu den Pionieren zählen auch Dubai und Songdo (Seoul). Während in Dubai mit der „Festival City“, die nur fünf Autominuten vom Flughafen Dubai International entfernt ist, eine Stadt beziehungsweise Platz für 100.000 Bewohner errichtet hat, die auch Platz für Schulen, Einkaufszentren und einen Yachthafen bietet, ist in unmittelbarer Flughafennähe von Songdo in Südkorea ein Bauprojekt mit Zukunftstechnologien entstanden, das im Hinblick auf den Flughafen Incheon realisiert wurde. Allerdings ist Songdo bisher kein durchschlagender Erfolg, weil es schlecht an die öffentlichen Verkehrsmittel angeschlossen und über eine Stunde und 40 Minuten von Seoul Stadtmitte entfernt ist.

Der Erfolg von Airport Cities steigt und fällt mit den Passagierzahlen am Flughafen. Mit Blick auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Unsicherheiten dürfte das Wirtschaftsmodell Flughafen hinterfragt werden, vor allem dann, wenn sich die Passagierzahlen später erholen als erwartet. Im November lag der deutsche Luftverkehr noch etwa 82 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Experten wie die Boston Consulting Group (BCG) halten eine schnelle Erholung für unwahrscheinlich und gehen von einer zögerlichen Erholung innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monaten aus. Die BCG rechnet damit, dass der Lockdown in vielen Ländern einige Monate lang anhalten dürfte und die Reisebeschränkungen nur langsam gelockert werden.

Daneben werde es zu Pleiten von Airlines und Reiseveranstaltern kommen, so dass der jahrelang nach oben gerichtete Wachstumspfad auch anderthalb Jahre nach Corona kaum wieder erreicht sein dürfte. So wird sich bei Europas größtem Airlinekonzern Lufthansa die Mitarbeiterzahl von knapp 138 000 im Jahr 2019 bis Ende 2020 um rund 29 000 Mitarbeiter reduzieren.

Berlins und Brandenburgs Flughafengesellschaft ist bekanntlich nicht erst seit dem Corona-Ausbruch in finanzieller Schieflage. Die Misere begann mit dem Bau-Debakel. Allerdings könnte sich auch ein Weiterbetrieb als Minusgeschäft insgesamt für die Region lohnen – sofern der Airport genügen Passagiere in die angrenzende Geschäftsstadt holt.

Karl-Heinz Goedeckemeyer

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