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Aktion gegen Pegida: Netz und doppelte Botschaft

Wer Pegida-Redner auf Youtube sehen will, bekommt erst Flüchtlinge zu hören. Die Initiative „Search Racism. Find Truth“ schaltet Spots vor die Videos

Schlechte Zeiten für Pegida-Anhänger: Wer sich dieser Tage eine Rede von Lutz Bachmann auf YouTube ansehen will, muss womöglich erstmal an Arif vorbei.
In den 30 Sekunden bevor das eigentliche Video beginnt, widerspricht der 31-Jährige, aus Syrien Geflüchtete Bachmanns Behauptung, alle Asylanten seien kriminell: "Also ich war noch nie im Gefängnis", sagt Arif mit den Schultern zuckend. "Lutz Bachmann schon".

"Glaubt ihr immer noch, es geht mir ums Geld?"

Der Spot ist Teil der Initiative „Search Racism. Find Truth“, bei der neun Geflüchtete in kurzen Clips genau die Vorurteile entkräften, die im darauffolgenden Video verbreitet werden. Wer sich also beispielsweise für ein Video interessiert, in dem behauptet wird, Flüchtlingen würde es nur ums Geld gehen, bekommt zunächst Najlaa zu sehen, die ihre Fluchtgeschichte schildert: „Drei meiner Cousins wurden getötet“, sagt die 23-Jährige mit festem Blick in die Kamera. „Glaubt ihr immer noch, es geht mir ums Geld?"

"Es scheinen immer mehr zu werden"

Hinter der Initiative steht die Berliner Organisation "Flüchtlinge Willkommen", eine Vernetzungsplattform, die Flüchtlinge zu privaten Wohngemeinschaften vermitteln will. Auf die Kampagne kamen die Initiatoren aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit rechter Hetze: "Wir sind mit rechten Kommentaren konfrontiert seitdem wir 2014 gestartet haben", sagt Jonas Kakoschke, Mitgründer von "Flüchtlinge Willkommen". Der Sozialunternehmer sieht eine dramatische Entwicklung in der Gesellschaft: "Es scheinen ja immer mehr zu werden, die sich rechts orientieren. Vielleicht wirkt es aber auch nur so, und die Rechten schreien einfach lauter", sagt der 32-Jährige.

Jonas Kakoschke, Mitgründer von "Flüchtlinge Willkommen".
Jonas Kakoschke, Mitgründer von "Flüchtlinge Willkommen".

© Shooresh Fezoni

Kurze Aufklärungsvideos, zielgruppenorientiert platziert

Zusammen mit einer Züricher Kommunikationsagentur hätten sie dann überlegt, wie man dieser Entwicklung konstruktiv entgegenwirken könne, ohne die angesprochenen Menschen abzustempeln. Schnell kam ihnen die Idee: Kurze Aufklärungsvideos, in denen Geflüchtete zu Wort kommen, äußerst zielgruppenorientiert platziert: Najlaa, Arif, Firas oder Yasmin bekommen nun genau da eine Stimme, wo oft nur über sie gesprochen wird. Die Clips selbst sind einfach gehalten: Die Protagonisten stehen vor grauem Hintergrund, sprechen frontal in die Kamera, adressieren den Zuschauer direkt.

"Eine mutige Aktion"

Produziert wurden die Videos in Berlin und anderen Städten, in denen die geflüchteten Protagonisten wohnen. "Das ist eine mutige Aktion von den Geflüchteten", sagt Kakoschke. Ein Berliner Bekannter von ihm habe sich kurz vor Drehbeginn doch gegen den Dreh entschieden - aus Angst vor noch stärkerem Fremdenhass ihm gegenüber. Generell gebe es bisher allerdings nicht mehr rechte Kommentare als sonst auch. "Oft wird ja eher die zu einer homogenen Masse gemachten Flüchtlinge angefeindet - nicht so sehr Einzelpersonen", sagt der studierte Kommunikationsdesigner. Illusionen über den Effekt machen sich Kakoschke und seine Kollegen nicht: "Wir glauben nicht, dass wir Hardcore-Nazis umstimmen können, aber vielleicht ja die, die noch unentschieden sind."

Ein unerwünschter Effekt

Die Clips sind als so genannte „non-skippable Ads“ vor Videos mit rechtem Inhalt geschaltet, somit ist es dem Zuschauer nicht möglich, die Werbung nach ein paar Sekunden weg zu klicken. Dabei tut sich eine Schwierigkeit auf: Die Clips von "Search Racism. Find Truth" finanzieren die rechten Videos ungewollt zu einem gewissen Teil. Dies sei natürlich ein unerwünschter Effekt: "Wir werden die Aktion sehr bald auslaufen lassen, da wir den Videos Cent-Beträge mit unserer Werbung zukommen lassen", sagt Kakoschke. Ziel der Aktion sei es allerdings, dass die Kanalbetreiber die Werbung vor ihren Videos komplett ausschalten müssen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, steht noch nicht fest: "Die Nachrecherche in den nächsten zwei Wochen wird ergeben, wie viele Kanäle ihre Werbung vor den Videos ausschalten mussten", sagt Kakoschke.

Bis dahin bieten unter anderem Bachmanns Videos zumindest eine halbe Minute lang Platz für die Perspektive von Arif. Oder Aglia. Oder Firas.

Weitere Infos zu der Kampagne und der Organisation gibt es unter www.search-racism-find-truth.com

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