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So soll es wieder sein. Musik, Diskussionen und Infostände – das letzte „Fest für Demokratie“ besuchten tausende Menschen.

© Zentrum für Demokratie

Aktionstage "Gemeinsame Sache": So engagiert sich ein Kiez erfolgreich gegen Rechtsextremismus

In Treptow-Köpenick haben Engagierte seit 2004 eine Kultur gegen rechts aufgebaut– damit ihr Kiez schöner wird. Am 18. September wird das gefeiert.

Von Simone Jacobius

Es war 2004, als der Bezirk beschloss, die Notbremse zu ziehen. Niederschöneweide in Treptow-Köpenick hatte sich peu-à-peu zu einem Angstraum entwickelt, zu einem Ortsteil, in dem sich vor allem die Neo-Nazis wohlfühlten. Immer mehr Geschäfte und Kneipen waren in ihrem Besitz, Krawall an der Tagesordnung.

Die rechtsextreme Szene hatte sich ihre eigene Infrastruktur geschaffen. Hinzu kam der Einzug der NPD-Zentrale an der Seelenbinderstraße in ein Haus, das die Partei geerbt hatte.

Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss daraufhin, ein Gegengewicht zu etablieren: das Zentrum für Demokratie (ZfD). Es sollte Fach- und Netzwerkstelle zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus sein. Aber zudem auch eine Anlaufstelle im Kampf gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus.

„Es gab damals ein großes Bündnis der Zivilgesellschaft. Auch die Wohnungsbaugesellschaft Degewo war mit an Bord und hat ihre Mietverträge angepasst“, sagt ZfD-Koordinator Benedikt Hotz und ist noch heute darüber erleichtert. In Gewerberäumen durften fortan keine Dinge mehr verkauft werden, die rechtem oder gewaltverherrlichendem Gedankengut entsprächen. Dazu gehörten Devotionalien genauso wie Waffen, Tarnkleidung und Ähnliches.

Auch der stadtweit bekannten rechten Kneipe „Zum Henker“ konnte so der Garaus gemacht werden. „Ein Prozess, der sich über viele Jahre hinzog, an dem sehr viele Menschen beteiligt waren“, erinnert sich Hotz. Er ist froh zu sehen, wie viel sich geändert hat, wie lebenswert der Ortsteil geworden sei.

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Von Seiten der AfD weht der Einrichtung regelmäßig Gegenwind ins Gesicht. „Sie haben immer versucht, uns in die linke Ecke zu stecken“, sagt Hotz. Dabei, betont er, würden sie im ZfD Bildungsarbeit machen, keine Parteienarbeit.

Die acht Festangestellten betreuen unter anderem Patenschaften für Demokratie in Schöneweide, Altglienicke und dem gesamten Bezirk. Diese Patenschaften bekommen Geld für Projekte, die sich der Demokratie verpflichtet fühlen. Das können Vorträge und Schulungen genauso wie Konzerte und Ausstellungen sein. Zwei Kolleginnen betreuen zudem das Projekt Antirassismus an Schulen (Aras). Sie kümmern sich beispielsweise um die Institutionen, die mit dem Label „Schule mit Courage“ ausgezeichnet wurden. Es werden aber auch Schulungen für Lehrer:innen und Schüler:innen angeboten, ebenso die sehr beliebten Projektwochen mit organisiert. Hotz selber ist, neben der Koordination, auch für die Erwachsenenbildung zuständig.

Diskriminierende Vorkommnisse häufen sich in Schöneweide

Zudem führt das ZfD ein Register über extrem rechte und diskriminierende Vorfälle im Bezirk. Die Vorkommnisse häufen sich vor allem in Schöneweide. Neu ist ein Projekt mit dem Namen „Dialog im Kosmos“, ein Modellprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung in mehreren Großsiedlungen. Hierbei soll versucht werden, über innovative Wege mit den Bewohnern des Kosmosviertels ins Gespräch zu kommen. „Vorträge funktionieren dort nicht, weil die Menschen dort ganz andere Probleme haben. Wir bieten erst mal allgemeine Hilfe fürs Leben an und kommen darüber mit Einzelnen ins Gespräch“, erzählt Hotz. Ein neues Thema, dem sie sich widmen, sind Verschwörungstheorien, die häufig in Verbindung mit Antisemitismus auftreten.

[Mehr Informationen zu den Freiwilligentagen vom 10. bis 19. September 2021 gibt es hier. Alle Texte finden Sie online unter: tagesspiegel.de/gemeinsame-sache-2021]

Am 18. September veranstaltet das ZfD innerhalb der Freiwilligentage „Gemeinsame Sache“ wieder sein „Fest für Demokratie“. Organisiert wird es vor allem von ehrenamtlichen Mitstreitern. Es findet auf dem Platz rings um das Zentrum für Demokratie statt. Etwa 60 Infostände von Vereinen, Initiativen und Parteien werden vor Ort sein, auf einer Bühne spielen zwischen 13 und 20 Uhr Bands und Musiker aus dem Bezirk. Es gibt Podiumsdiskussionen zum Thema „Demokratie leben – Du hast die Wahl“ und neu ist, dass die Nachbarn stärker eingebunden werden sollen. Wer Lust hat, ist gerne auch als ehrenamtlicher Helfer gesehen. Sowohl für den einen Tag als auch länger in der AG Fest werden neue Mitstreiter gesucht. Auf jeden Fall freuen sie sich schon auf Besucher aus ganz Berlin, um ihnen zu zeigen, wie lebenswert der Ortsteil geworden ist.

Bei der „Gemeinsamen Sache“ laden die Eltern nun dazu ein, sich für die Umwandlung der Tassostraße zu einer temporären Spielstraße einzusetzen.

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