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Energiespar-Gotteshaus. Die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg wurde schon vor zwanzig Jahren im Inneren raffiniert umgebaut, um nachhaltig zu heizen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Aktionswoche „Berlin spart Energie“: Die Sonne schickt keine Rechnung

Die Aktionswoche „Berlin spart Energie“ lädt zu Führungen ein: Wie erzeugt man nachhaltig Wärme? Wie wird mit Müll geheizt?

Vom „schlafenden Riesen“ ist oft die Rede, wenn es um den gigantischen Energieverbrauch der Wohngebäude geht – den größten Einzelposten auf Deutschlands Energierechnung. Auch deshalb ist klar, dass Berlin nur über den radikalen Umbau der Heizwärmeversorgung klimaneutral werden kann. Doch der Riese schläft weiter – weil die Energiepreise gerade nicht danach sind, ihn wachzurütteln, und weil das Thema Energieeffizienz in der Bundesregierung niemanden mehr zu interessieren scheint.

Laut dem Bundesverband der Heizungsindustrie ist der Absatz klimafreundlicher Heizsysteme in diesem Jahr gesunken – gleich, ob Solarthermie, Wärmepumpen oder Biomassekessel. Stattdessen boomt ausgerechnet die Nachfrage nach Ölheizungen, die besonders viel klimaschädliches CO2 ausstoßen.

Die Rahmenbedingungen für die diesjährige Aktionswoche „Berlin spart Energie“ scheinen also schwierig. Doch Initiator Jürgen Pöschk sagt: „Das Interesse ist konstant hoch, manche Thementouren sind schon ausgebucht.“ Vor drei Jahren hat Pöschk als Chef des vom Senat beauftragten Energieeffizienzprogramms „Berliner ImpulsE“ den Aktionstag gestartet, der schnell zur Aktionswoche wuchs. Die dauert in diesem Jahr vom 6. bis zum 10. Oktober, bietet wieder Einblicke hinter Türen, die sonst verschlossen sind, und serviert Wohneigentümern, Fachleuten und interessierten Laien Informationen, die sie sich sonst mühsam zusammensuchen müssten.

Verschiedene Thementouren

Ein Highlight für die interessierten Laien dürfte die Tour am Mittwoch sein, die durchs Müllheizkraftwerk der BSR, das benachbarte Klärwerk Ruhleben der Berliner Wasserbetriebe und das Kraftwerk Reuter von Vattenfall am gegenüberliegenden Spreeufer führt, wo unter anderem die Energie aus der BSR-Müllverbrennung genutzt wird.

Eher an Immobilienbesitzer richtet sich eine Thementour, auf der gezeigt wird, dass die schönen Altberliner Kastendoppelfenster bei einer energetischen Sanierung nicht für triste Kunststoffkonstruktionen geopfert werden müssen, sondern sich originalgetreu und trotzdem energiesparend ersetzen lassen. Andere Thementouren widmen sich der energetischen Optimierung des per se ziemlich beleuchtungs- und beschallungsintensiven Berliner Nachtlebens.

Die Preise werden nicht ewig so bleiben

Mehr als in den Vorjahren sind auch Schulen involviert, aber auch prominente Gebäude wie Konzerthaus und Rotes Rathaus laden zu Einblicken, die sonst nicht zu bekommen sind. Hinzu kommen fundierte und neutrale Beratungsangebote etwa von Verbraucherzentrale und Mieterverein. Beide gehören zu den Dutzenden Projektpartnern der Aktionswoche.

„Die aktuellen Energiepreise erschweren zwar die Refinanzierung von Investitionen“, sagt Pöschk. „Aber die Preise werden nicht ewig so bleiben. Und wer in Effizienz investiert, sichert sich gegen künftige Risiken ab.“ Dass dieses Thema nicht nur Privatleute und die klassische Wirtschaft beschäftigt, zeigt eine Tour durch zwei denkbar verschiedene Kirchen: die Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße und die Heilig-Kreuz-Kirche an der Zossener Straße, die mit ihrer gewaltigen Kuppel und der leuchtend roten Backsteinfassade zu den Wahrzeichen von Kreuzberg gehört. Diese Kirche wurde vor rund 20 Jahren als Modellprojekt saniert und gilt bis heute als gedankliches Vorbild. Das sagt die Architektin Monika Remann, die eine Agentur für nachhaltiges Bauen betreibt und die Tour führen wird.

Kontrastprogramm in der Bernauer Straße

In der Zentralkirche mit mittiger Kuppel könnten die Räume sowohl in der Höhe als auch in der Fläche unterteilt werden. So muss für einen wenig besuchten Gottesdienst nicht das gesamte Haus hochgeheizt werden. Und dank einziehbarer Segel steigt die Wärme nicht gleich bis unters Dach, wo sie Gott näher ist als den Menschen, die sie brauchen. Weil die Kirche außerdem intensiv als Stadtteilzentrum sowie für Hochzeiten und Festbankette genutzt wird, „werden die Heizkosten auf möglichst viele Schultern verteilt“, sagt Remann.

Das Kontrastprogramm zu dem gewaltigen Gotteshaus aus dem 19. Jahrhundert findet sich an der Bernauer Straße: Die anstelle der in den 1980ern von der DDR gesprengten Versöhnungskirche errichtete „Kapelle der Versöhnung“ ist ein Neubau, der ganz ohne Klimatisierung auskommt. Im Sommer bleibt es dank einer Hülle aus Lehm angenehm kühl, im Spätherbst hält sich wiederum noch lange die Wärme im Inneren.

Heizkosten, sonst ein Hauptproblem vieler Kirchengemeinden, sind hier also kein Thema. Die Geschichte des Lehmbaus, der zugleich symbolträchtig und bescheiden sein sollte, kann nicht nur Architekturfreunde begeistern. Remann weiß sie spannend zu erzählen. Es ist eine von vielen lehrreichen Geschichten, die mitten in Berlin spielen und die ohne die Aktionswoche wohl kaum jemand erführe.

Die meisten Veranstaltungen und Angebote der Aktionswoche (vom 6. bis 10.10.) sind kostenlos, aber nur mit Anmeldung zu besuchen. Alle Infos und Termine: www.berlin-spart-energie.de

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