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Ein Aktivist im Gespenster-Kostüm "erschreckt" einen Aktionär auf dem Weg zur Hauptversammlung der Deutsche Wohnen SE in Frankfurt am Main am 18. Juni 2019.

© imago images / Pacific Press Agency

Aktivisten warnen Deutsche-Wohnen-Aktionäre: „Wir sind das größte Investitionsrisiko“

Aktivisten kritisieren bei der Hauptversammlung der Deutsche Wohnen in Frankfurt den Kurs von Konzernchef Michael Zahn. Der Manager gibt sich angriffslustig.

Dafür, dass sich die Deutsche Wohnen derzeit heftigen Turbulenzen ausgesetzt sieht, fiel das Interesse der Anteilseigner bescheiden aus. Nicht einmal 100 Aktionäre waren am Dienstag zur Hauptversammlung in Frankfurt am Main erschienen. Dabei wurden im Verlauf der Veranstaltung interessante Details über das Innenleben des Konzerns bekannt.

Vertrauen müsse das Berliner Unternehmen angesichts der Debatten über angeblichen Mietwucher und Enteignungen aufbauen, sagte Joachim Kregel von der Deutschen Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK) und blickte vom Redner-Pult hoch zum Podium, auf dem Vorstandschef Michael Zahn saß. „Dazu gehört auch, dass der Vorstand Aktien des eigenen Unternehmens kauft und nicht verkauft. Sie Herr Zahn haben im vergangenen Jahr aber 56 800 Aktien verkauft und damit mehr als zwei Millionen Euro erlöst“. Zahn schaute leicht betroffen, im Saal war Grummeln zu hören.

Sprecherin der Enteignungs-Kampagne droht Aktionären

Es sollte nicht der letzte Vorwurf an diesem Tag bleiben. Wenig später richtete sich Susanna Raab an die Aktionäre, die Sprecherin der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Und was sie sagte, klang alles andere als versöhnlich: „Wir sind das größte Investitionsrisiko für Sie, liebe Aktionäre“, rief die junge Frau. „Unsere Initiative und unsere Kritik zeigt Wirkung. Der Aktienkurs sinkt. Verkaufen sie lieber jetzt.“

Dass es zu Ärger kommen würde, war schon lange vor Veranstaltungsbeginn abzusehen. In Berlin besitzt der Wohnungskonzern rund 116.000 Wohnungen (von bundesweit insgesamt rund 164.000) und sieht sich seit Monaten Anfeindungen aus den Reihen der Enteignungskampagne ausgesetzt. Kein Wunder also, dass Raab und ihre Mitstreiter den Termin in Frankfurt nicht verpassen würden. Bereits vor Beginn des Aktionärstreffens protestierten rund 30 Aktivisten vor dem Veranstaltungszentrum. „Deutsche Wohnen enteignen!“, riefen sie. Gekleidet waren sie in weiße Tücher: „Wir sind die Geister, die Ihr rieft“, war als Erklärung auf Plakaten zu lesen. Oder: „Quälgeister aller Wohnungskonzerne vereinigt Euch“.

Ebenfalls mit von der Partie: die Linkspartei. Ein gut fünf Meter hoher, aufgeblasener Miethai wurde von den Sozialisten in Frankfurt platziert – die Zähne gefletscht. Polizisten beobachteten die Szenerie, einschreiten aber mussten sie nicht: der Protest blieb friedlich.

Protest gegen die Deutsche Wohgnen am 6. April 2019 am Berliner Alexanderplatz.
Protest gegen die Deutsche Wohgnen am 6. April 2019 am Berliner Alexanderplatz.

© Reuters/Fabrizio Bensch

Die Enteignungs-Aktivisten warfen dem Konzern vor, die eigenen Wohnungen vernachlässigt zu haben und mit aggressiven Mietsteigerungen Bewohner vertrieben zu haben. „Mieter sind besorgt, können nicht mehr schlafen, weil sie Angst haben“, behauptet Raab. Jetzt aber sei es der Konzern, der sich Sorgen machen müsse: „Die Angst hat gewechselt, von den Mietern hin zu den Aktionären“. Zumal der Senat nun auch eine Deckelung der Mieten auf den Weg gebracht hat.

Die Anteilseigner hatten derweil wenig Verständnis für die Vorwürfe der Aktivisten. „Ich muss meine Rente aufbessern, für Sparanlagen gibt es ja nichts mehr“, sagte einer. Das Problem sei im Übrigen nicht die Deutsche Wohnen, sondern die Tatsache, dass viel zu wenig gebaut werde.

Der Konzern selbst gab sich am Dienstag schweigsam – und wirkte äußerst nervös. Ton-Aufnahmen der Rede des Vorstandschefs, bei anderen Aktionärstreffen üblich, waren untersagt. Hörfunk-Journalisten mussten ihre Aufnahmegeräte am Eingang abgeben. Selbst Statements des Pressesprechers vor Beginn der Hauptversammlung wurden abgelehnt. Dafür lagen Hochglanz-Broschüren aus.

"Klima findet bei uns nicht nur Freitags statt"

Auch im Saal ging es dann ruhig zu. Konzernchef Zahn lobte die Entwicklung des Unternehmens und damit sich selbst. Der Gewinn lag 2018 bei knapp 1,9 Milliarden Euro, was wiederum eine Rendite für die Aktionäre von 21 Prozent bedeute. Auch den Mietern gehe es gut. Die Mieten im Bestand seien 2018 nur um 1,9 Prozent gestiegen, insgesamt liege das Plus bei 3,4 Prozent, in Berlin auf durchschnittlich 6,71 pro Quadratmeter. Die Hälfte der Mieteinnahmen stecke das Unternehmen in die Sanierung der Wohnungen, von Heizungen, Aufzügen, Elektroleitungen und der Fassade. „Pro Quadratmeter waren das 41 Euro nach 34 im Jahr zuvor.“

Es gehe auch um die energetische Sanierung. „Klima findet bei uns nicht nur Freitags statt sondern täglich“, setzte Zahn sein fast 40 Minuten dauerndes Statement fort. Bis 2020 werde die Deutsche Wohnen im Übrigen 2500 Wohnungen neu bauen, allein 2000 in Berlin und Potsdam.

Zahn machte aber auch klar: Für Menschen mit niedrigem Einkommen sei sein Unternehmen nicht zuständig. „Wir fokussieren uns auf mittlere Schichten.“ Die Wohnungen seien für diese Menschen bezahlbar. Allerdings ließ er durchblicken, dass es teurer werden dürfte. „Die Baukosten haben sich in den letzten vier Jahren verdoppelt“.

Ein Mitglied des globalisierungskritischen Attac-Bündnisses gießt am Morgen vor dem Eingang zur Hauptversammlung des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen Sekt aus einer Flasche ein, deren Markenname in "Miet Deckel" umbenannt wurde. Attac feierte unter dem Motto "Deutsche Wohnen Aktien fallen, wir Mieterinnen feiern".
Ein Mitglied des globalisierungskritischen Attac-Bündnisses gießt am Morgen vor dem Eingang zur Hauptversammlung des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen Sekt aus einer Flasche ein, deren Markenname in "Miet Deckel" umbenannt wurde. Attac feierte unter dem Motto "Deutsche Wohnen Aktien fallen, wir Mieterinnen feiern".

© Frank Rumpenhorst/dpa

Angesichts des angekratzten Images seines Unternehmens wollte er sich auch einen Seitenhieb auf die Medien nicht verkneifen. „Vermieter können ohne Presse gut leben. Mit Presse wird es schwierig“, sagte er. Man diskutiere aber gerne, wenn es sachlich und mit weniger Polemik und Unwahrheiten geschehe. „Unsere Gegner sollten anerkennen, dass auch wir einen gesellschaftlichen Beitrag leisten“. Die Enteignungsforderungen würden nicht von der Breite der Gesellschaft getragen, sagte Zahn. „Die Deutsche Wohnen ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.“

Von den Aktionären gab es dafür Applaus. Roland Klose Betriebswirtschafts-Professor und Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), klopfte Zahn anerkennend auf die Schulter. Die Deutsche Wohnen sei ein tolles Unternehmen, es gehöre nicht in den MDax für mittelgroße Firmen, sondern wie der Konkurrent Vonovia in den Dax. Zahn lächelte.

Professor Grottian: Sie sind da sehr fantasielos

Doch dann folgte ein weiterer Angriff auf den Vorstandschef. Diesmal von Peter Grottian, bis 2007 Professor am Otto-Suhr-Institut der FU, der sich eigentlich als Brückenbauer angeboten hatte – zwischen dem Konzern und seinen Kritikern. Auf 30 Mieterversammlungen sei er in den letzten Monaten gewesen, sagte Grottian. „Es gibt eine ungeheure Wut. Viele sind hilflos. Das haben sie nicht begriffen, Herr Zahn. Es brodelt in Berlin.“

Grottian sagte aber auch, dass die Mieterinitiativen „keinen Schlag besser“ seien als das Unternehmen. Und plädierte vehement dafür, dass beide Seiten aufeinander zugehen, um ihre Position verständlich zu machen. „Sie sind da sehr fantasielos.“

Michael Zahn, der Vorstandschef der Deutsche Wohnen - hier beim Tagesspiegel-Interview im Mai - kritisiert die Medien und wünschte keine Ton- oder Bildaufnahmen seiner Rede vor Aktionären.
Michael Zahn, der Vorstandschef der Deutsche Wohnen - hier beim Tagesspiegel-Interview im Mai - kritisiert die Medien und wünschte keine Ton- oder Bildaufnahmen seiner Rede vor Aktionären.

© Kai-Uwe Heinrich

Doch Vorstandschef Zahn machte nicht den Eindruck, als würde er die Anregungen von Grottian so schnell aufgreifen wollen. Vielleicht auch deshalb, weil die Mehrzahl der Aktionäre im Saal die Ausführungen des Ex-Professors ohnehin eher teilnahmslos zur Kenntnis nahm. Die meisten hier interessierte der Aktienkurs und die Dividende deutlich mehr. Beides aber fiel enttäuschend aus: 87 Cent für 2018 war ihnen zu wenig. Ein Euro hätte es schon sein sollen. Etliche hatten nach zwei Stunden deshalb schon wieder den Heimweg angetreten. Oder warteten vor dem Saal darauf, dass endlich das Büffet aufgebaut wird.

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