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Drunter und drüber. An der Gesundbrunnen-Grundschule in Wedding sind die Erstklässler mit Begeisterung beim Sportunterricht dabei (Bild links und unten rechts.). An der Kollwitzplatzschule in Prenzlauer Berg trainieren die Fünftklässler der Sportprofilklasse Basketball und brauchen dazu nur kurze Anweisungen von ihren Trainern.

© Georg Moritz

Albas Schulprojekte: Trainieren mit den Profis

An mehr als 40 Schulen bieten Alba-Trainer Basketball-AGs an, in 17 Grundschulen mischen sie auch im Unterricht mit. Davon haben alle etwas.

Die Fünftklässler wissen, was zu tun ist. Passen, bewegen: Mehr muss ihr Trainer gar nicht sagen. Schon wirbeln sie durcheinander, dass einem beim Zuschauen fast schwindelig wird. Der Basketball fliegt von einem zur anderen, die Mädchen und Jungen rennen hin und her, kaum ein Wurf geht fehl. Auf der Seitenbank in der Turnhalle der Grundschule am Kollwitzplatz sitzt Henning Harnisch und sieht sich das fasziniert an. „So soll es sein“, sagt er. „Das ist ganz wichtig, gleich mit dem Passen in der Bewegung zu bleiben.“

Der 44-jährige weiß, wovon er redet. 1993 wurde er mit der Nationalmannschaft Europameister. Eine Sensation war das damals, und Deutschland hatte – lange vor Dirk Nowitzki – seinen ersten Basketball-Star. „Flying Henning“ wurde er genannt, wegen seiner spektakulären Spielweise, seinen Dunkings, und den langen Haaren.

Die sind mittlerweile kurz, die Begeisterung für den Sport aber ist geblieben. Und die will er vor allem an Kinder weiter geben. Harnisch ist heute Vize-Präsident bei Alba Berlin und dort Leiter der Jugendprojekte. Er merkte, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr so ohne weiteres den Weg in den Sportverein finden, und dass insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund in den Jugendmannschaften fehlen. „Die Kinder sind heute oft bis 16 Uhr in der Schule, da bleibt oft kaum noch Zeit für den Verein“, sagt Harnisch. Dann müsse, so seine Überlegung, der Verein eben dorthin kommen, wo die Kinder sind – in die Schulen. Und so startete er 2006 das Projekt „Alba macht Schule“. Los ging es an neun Grundschulen in Prenzlauer Berg, in der Nähe der Max-Schmeling-Halle, der Heimat des Vereins, mit Basketball-AGs, die von ausgebildeten Alba-Trainern geleitet wurden. Mittlerweile gibt es an mehr als 40 Grund- und Oberschulen in Mitte, Wedding, Prenzlauer Berg, Neukölln, Friedrichshain und Kreuzberg Basketball- und Sportangebote von Alba Berlin.

Harnisch geht es allerdings nicht in erster Linie darum, Nachwuchstalente für seinen Verein zu finden – auch wenn das ein nicht unerwünschter Nebeneffekt sein könne. Ihm geht es darum, Kindern sinnvolle Angebote zu machen, die sonst in Ganztagsschulen vielleicht zu kurz kommen. Und dabei auch diejenigen Schüler zu erreichen, deren Eltern bildungsferner seien oder keine Zeit hätten, um selbst außerschulische Aktivitäten zu organisieren.

Beim Sport geht das soziale Lernen leichter

Bei den Schulen kommt das Konzept offenbar gut an, und auch die Bildungsverwaltung unterstützt das Projekt. Bei 17 Schulen mit Sportprofil mischt Alba inzwischen sogar direkt im Unterricht mit. In den ersten Klassen gestalten dabei ein Lehrer und ein Alba-Trainer gemeinsam den Sportunterricht, ab der dritten Klasse gibt es zusätzlich eine Basketball-AG. In der Grundschule am Kollwitzplatz wird in den Profilklassen sogar noch mehr Sport gemacht: Fünf Stunden Unterricht, zwei Stunden AG und zwei Stunden Vereinstraining. Lehrerin Brit Kroll und der frühere Basketballspieler Marius Huth wirken wie ein eingespieltes Team. „Mit den Fünftklässlern arbeiten wir jetzt schon im dritten Jahr, den Unterschied zu den normalen Klassen merkt man ganz deutlich“, sagt Kroll. Viel koordinierter und selbständiger seien die Kinder, technisch weiter und ausdauernder. Und auch der Zusammenhalt und die Fairness sei beeindruckend. Auch die Schüler sind begeistert. „Ich find es cool, so oft Sport zu haben“, sagt ein Junge. „Da kann man auch mal rumschreien.“ „Und man muss das Gehirn nicht so anstrengen wie bei Deutsch oder Mathe“, sagt ein anderer. Dabei sind die Leistungen der Klasse nicht schlechter. Und auch bei Eltern sind die Sportklassen beliebt. Die Anmeldungen übersteigen regelmäßig die Zahl der Plätze.

Sportunterricht der Erstklässler in der Gesundbrunnenschule
Sportunterricht der Erstklässler in der Gesundbrunnenschule

© Georg Moritz

Dass beim Sport nicht nur die Muskeln trainiert werden, sondern auch soziale Fähigkeiten und sogar die Sprachkompetenz, davon ist auch die Leiterin der Gesundbrunnen-Schule, Manduela Krüger, überzeugt. Sie war von dem Konzept der Sportklassen so begeistert, dass sie mittlerweile allen Kindern ab der dritten Klassen fünf Stunden Sportunterricht in den Stundenplan schreibt. An der Grundschule in Wedding herrschen allerdings ganz andere Bedingungen als im Prenzlauer Berg. Über 90 Prozent der Schüler haben eine andere Muttersprache als Deutsch, die meisten Familien sind auf Transferleistungen angewiesen. „Intellektuell können wir unsere Schüler nicht so leicht begeistern, mit dem Sport geht das dagegen hervorragend“, sagt sie. Links, rechts, oben, unten – viele Kinder hätten Schwierigkeiten mit diesen Begriffen. Beim Sport lernen sie das ganz von allein. Auch das soziale Lernen – sich einzuordnen, Respekt voreinander zu entwickeln und auch mal verlieren zu können, klappe viel besser.

Die Trainer seien eine große Entlastung für die Lehrer, sagt Schulleiterin Krüger. „Ein Lehrer allein wäre ja bei dreißig Erstklässlern die Hälfte der Zeit nur mit dem Umziehen und Helfen beschäftigt“, sagt sie und lächelt Louisa Muehlenberg zu, die gerade Reifen und Hütchen in der Turnhalle auslegt. Seit drei Jahren arbeitet die Basketballerin an der Schule. Für sie ist die Stelle auch eine Möglichkeit, um Job und Sport zu verbinden. Eine Hälfte ihres Gehalts zahlt der Verein, die andere Hälfte die Schule. Die Gesundbrunnen-Grundschule verwendet dafür Sprachfördermittel. „Das hier ist für unsere Schüler die beste Förderung“, ist Krüger überzeugt.

Dann kommen die fünf- und sechsjährigen Schüler auch schon angerannt. Viele sind barfuß. Dass die Eltern kein Geld für Turnschuhe übrig haben, ist hier keine Seltenheit. Doch das hält die Kinder nicht auf. Der kleine Enes schnappt sich einen Ball und rennt los. Erst mal Fußball, dann nimmt er den Ball in die Hand, dribbelt ein paar Schritte und wirft ihn Richtung Korb. „Das habe ich bei einem Erstklässler noch nie gesehen“, sagt Henning Harnisch beeindruckt.

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