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Berlin: Alexander der Große kam bis nach Berlin

Spurensuche im Pergamonmuseum: Das Ishtar-Tor, durch das Oliver Stones Filmheld über den Euphrat in Babylon einzieht, steht seit langem an der Spree

Das Blut aus der Schlacht von Gaugamela ist längst von der Rüstung gewaschen, auch der im Kampf arg zerzauste Helmbusch wippt wie neu. Als strahlender Sieger über den Perserkönig Dareios zieht Colin Farell als Alexander in Oliver Stones Kinoepos in Babylon ein – wie es sich zu dieser historischen Stunde gehört, durch das berühmte Ishtar-Tor. Eine Brücke über den Euphrat führt direkt darauf zu, alles sehr Hollywood gerecht.

Der in babylonischer Baugeschichte beschlagene Historiker freilich zuckt hier zusammen. Und der Besucher des Pergamonmuseums, der das Ishtar-Tor durchschreitet, die ausgestellten Stadtpläne studiert und vor allem das Modell des Tores mit Vorplatz, Bastionen und Prozessionsstraße, wird die Stirn runzeln: Welche Brücke? Und wozu auch? Der Euphrat führte in Nord-Süd-Richtung an Babylons Altstadt vorbei, ein Westtor mit davorgelagerter Brücke gab es in der Tat. Das Ishtar-Tor allerdings befand sich im Norden. Für eine große Brücke war da kein Bedarf.

An den US-Kinokassen hat „Alexander“ nicht mal einen Pyrrhus-Sieg errungen. Heute beginnt der Feldzug durch hiesige Lichtspieltheater. Eine Heldensaga aus fernen Zeiten und Ländern, die mit Berlin auf den ersten Blick nicht mehr gemein zu haben scheint als die 21 Kinos, in denen der Film läuft – wäre da nicht das Ishtar-Tor. 1929/30 wurde es in Berlin rekonstruiert, kostbarstes Stück des Vorderasiatischen Museums, untergebracht im Südflügel des Pergamonmuseums.

Für den Film wurde es am Drehort in Marrakesch noch einmal aufgebaut – kunsthistorisch nicht ganz exakt, wie Jan Roelfs, zuständig fürs Production Design, freimütig zugesteht: Teile des Tores seien im Berliner Pergamonmuseum ausgestellt, „aber obwohl ich dadurch großartige Anregungen für das Design bekam, wollte ich es nicht einfach kopieren. Ich habe eine ganze Weile mit mir gerungen, bis mir die Idee kam, dass das Haupttor in die Stadt hinein mit einer Brücke über den Euphrat verbunden ist. Zu dieser Zeit war Babylon das Land, durch das Milch und Honig fließen – fruchtbares Land an einem großen Fluss. Wenn Alexander dort eintrifft, muss man erkennen können, dass es der opulenteste Ort auf Erden ist.“

Die Frage ist aber auch, ob das Tor bei Alexanders Einzug in Babylon im Jahr 331 v. Chr. überhaupt noch intakt war. In der Wissenschaft sei das umstritten, berichtet Ralf-Bernhard Wartke, stellvertretender Direktor des Vorderasiatischen Museums. Er selbst hält aber einen guten Bauzustand zu Alexanders Zeiten für wahrscheinlich und verweist darauf, dass Babylon im Jahr 539 von den Persern kampflos eingenommen worden sei. Und als pflichtbewusster Historiker korrigiert er natürlich sofort die laienhafte Vorstellung, das Ishtar-Tor stehe heute in Berlin. Das stimmt allenfalls zu einem Drittel.

Ishtar-Tor, Prozessionsstraße und Thronsaalfassade, alle entstanden unter König Nebukadnezar (605 – 562 v. Chr.), verdankt Berlin den Grabungen,die unter der Leitung von Robert Koldewey und der Obhut der Berliner Museen von 1899 bis 1917 in dem 80 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Ruinenfeld stattfanden. Im Boden tauchten dabei zwei frühere, gut erhaltene Baustufen des Tores auf, die zugeschüttet und überbaut worden waren. Von dem dritten Tor war bis auf Ziegelschutt kaum noch etwas übrig. Erst 1926 kamen die Torreste nach Berlin, korrekt nach einer Vereinbarung mit der damaligen Regierung des Iraks. In mühevoller Puzzlearbeit wurden die Ziegel aus den Bruchstücken neu geformt und die Reliefs von Löwen, Stieren und Drachen rekonstruiert. Für die Lücken verwendete man neugebrannte Ziegel.

Alexander selbst kann man im Nordflügel besichtigen. Die Marmorbüste ist Teil der Antikensammlung, die jugendlichste Darstellung Alexanders. Der Kopf sei eine Kopie aus der römischen Kaiserzeit, berichtet Andreas Scholl, Direktor der Antikensammlung. An der Identität besteht für ihn kein Zweifel. Münzfunde aus der Zeit von Alexanders Nachfolgern belegen: Ein Mann mit solch einer Haartolle – das war er.

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