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Berlin: Alle gegen Mehdorn

Der Bahnhof Zoo taugt zum Wahlkampfthema – meinen die Berliner Parteien

Da sind sich ausnahmsweise mal alle einig: Einen West-gegen-Ost-Wahlkampf soll es in Berlin nicht geben, auch wenn viel von einem neuen Ost-West-Gegensatz in der Stadt die Rede ist. Der Bahnhof Zoo, der vom Fernverkehr abgekoppelt werden soll, die Ku’damm-Bühnen vor der Schließung, das ICC schlechtgeredet – Politiker gleich welcher Partei kennen natürlich die Themen genau, die bei den West-Berlinern das Gefühl befördern, ihre Interessen, ihr Lokalpatriotismus, ihr Heimatgefühl und ihre Bezugspunkte seien im neuen Berlin nicht mehr so viel wert wie einst. Kein Politiker will diese Gefühle befördern, egal, ob seine Partei regiert oder opponiert.

Die Abgeordneten der regierenden SPD setzen auf das Unterscheidungsvermögen der Wähler: Der Frust über die Abkoppelungspläne der Bahn „geht in erster Linie Richtung Mehdorn“, sagt die Charlottenburger SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill. Sie erinnert daran, dass sich der Regierende Bürgermeister Wowereit für den Bahnhof eingesetzt habe. Ihr Kollege Frank Jahnke, in dessen Wahlkreis der Zoo liegt, hört nur „vereinzelt“ an der Basis die Meinung, der Westen habe durch die Einheit an Bedeutung verloren.

Im Umgang mit der Westalgie, die angeblich manchen West-Berliner befallen hat, treffen sich die SPD-Politiker mit der Konkurrenz von der CDU. Deren Wahlkampfmanager Frank Henkel hält überhaupt nichts von Westalgie gegen Ostalgie. Die CDU sei die „Partei der Einheit“, sagt er. Wenn jetzt ausgerechnet „die PDS“ einen Gegensatz zwischen Ost und West konstruiere, dann stelle sie sich in eine „unrühmliche Tradition“. Henkel spielt damit auf eine Bemerkung des Linkspartei-Fraktionschefs Stefan Liebich an. Der hatte vor ein paar Tagen in einer Fernsehdiskussion gesagt: „Die Stadt verabschiedet sich mental vom alten West-Berlin, und das ist auch richtig.“

West-Berlin stand in Liebichs Augen für ein Konglomerat aus Immobilienwirtschaft, Subventionen und öffentlichem Dienst. Soll er mal so reden, meint Henkel – die Rechnung würden die Wähler der Linkspartei schon präsentieren. Liebich hatte am Dienstag so viel mit einem anderen Thema, dem Verkauf der WBM, zu tun, dass er über den Wahlkampf und den Bahnhof Zoo nichts sagen wollte. Eine Fraktionssprecherin erinnerte aber daran, dass auch die Linkspartei die Offenhaltung des Bahnhofs für den Fernverkehr wolle.

So könnte Bahnchef Hartmut Mehdorn im Wahlkampf zum Anti-West-Berliner werden, dem alle böse sind. Doch werden zumindest die Politiker der Opposition über die Bahnschiene Kritik am Senat transportieren. Henkel sagt, wenn es um Verkehr, Wirtschaft, Stadtentwicklung gehe, werde immer auch vom Zoo die Rede sein. Der Charlottenburger FDP-Abgeordnete Alexander Ritzmann weiß, dass viele tausend Bewohner der westlichen Innenstadt betroffen sein werden, wenn der Bahnhof an Bedeutung verliert. Es gehe dort um Jobs, um Umsatz, um wirtschaftliche Kraft, sagt Ritzmann – das Thema Zoo „kommt auf jeden Fall“. Doch auch er sieht den Bahnhof nicht in düster-melancholisch-westalgischer Untergangsstimmung veröden. Es habe nämlich durchaus den Eindruck, dass am Kurfürstendamm und in der City West viel los sei, sagt Ritzmann. Die bündnisgrüne Charlottenburgerin Franziska Eichstädt-Bohlig sieht es ähnlich. Sie glaube nicht, dass sich die West-Berliner Innenstadt-Bewohner vernachlässigt fühlten. Zumindest in grünen Kreisen denke man nicht in Kriterien wie Ost gegen West.

Nostalgie ist kein grünes Gefühl.

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