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Berlin: Alle Reue hilft nicht

Gericht verurteilt Unternehmer nach der Entführung eines Mädchens zu neun Jahren Gefängnis

Von der Bitte um Milde ließ sich das Gericht nicht weiter beeinflussen. „Das war ein mehr als zwölfstündiges Martyrium für die Familie“, sagte der Vorsitzende Andreas Dielitz. Nach nur drei Prozesstagen verkündete er am Landgericht Potsdam am Freitag ein hartes Urteil gegen Carsten W. (45): Neun Jahre soll er ins Gefängnis, weil er am 10. Februar in Kleinmachnow die vierjährige Carolina der Mutter entrissen hatte und für 13 Stunden in seiner Gewalt hielt. „Wir mussten uns große Mühe geben, die neun Jahre nicht zu überbieten“, sagte Dielitz. Das Gericht war der Forderung des Anklägers gefolgt.

Das Geständnis des Zehlendorfers fiel wegen der erdrückenden Beweise kaum ins Gewicht. W. war seit der Übergabe des Lösegelds von 60 000 Euro observiert worden. Bei der Festnahme, unmittelbar nachdem er das Mädchen in Kleinmachnow freigelassen hatte, fand die Polizei in seinem Wagen Geld, Sturmhaube und eine Sichel, mit der er die Mutter bedroht hatte. Entscheidend für das Gericht war, dass W. die Tat akribisch geplant hatte. Er habe nichts dem Zufall überlassen, sagte Dielitz. Der gescheiterte Unternehmer habe Carolinas Familie ausgewählt, weil er diese angesichts des neuen Hauses und zweier Oberklassewagen für zahlungskräftig hielt. W. habe die Familie ausspioniert und gezielt ein hilfloses Kind ausgewählt, weil er glaubte, die Lage beherrschen zu können und wenig Gegenwehr erwartete. „Das Erschreckende ist, dass die Entführung jeden anderen in Kleinmachnow hätte treffen können, der in ähnlichen Verhältnissen lebt.“

Den Anlass für die Tat nannte der Richter „fast belanglos“. Es waren Schulden von 36 000 Euro, vorwiegend nicht bezahlte Mieten für seinen Tiernahrungshandel und eine Confiserie in Zehlendorf. Der Gerichtsvollzieher war für den Tag nach der Entführung angekündigt. „Keine Summe für einen Akademiker“, sagte Dielitz. Statt sich Hilfe bei Verwandten oder Beratungsstellen zu holen, heckte W. binnen weniger Tage den Plan aus – das Ende seiner Karriere.

Geboren wurde er in Tansania, wo die Eltern Entwicklungshelfer waren, er studierte von 1985 bis 2000 Jura in Berlin, war aber meistens beim – laut Richter – „elitären“ Golfclub in Wannsee. Hier wurde er Landesmeister und mit der Mannschaft Deutscher Meister. Später arbeitete er als Manager in mehreren Golfclubs, etwa auf Kreta. Zurück in Berlin scheiterten seine Geschäftsideen, die Läden in Zehlendorf warfen kein Geld ab. Mit Aktien hatte er kein Glück. Als das Familienvermögen aufgebraucht war, verließ ihn seine Frau mit den drei Kindern im Alter zwischen sechs und neun Jahren.

Vor Gericht zeigte W. Reue und entschuldigte sich bei Carolinas Eltern, „Ich habe zwei Familien zum Opfer gemacht“, sagte er in seinem Schlusswort. „Ich bitte im Namen meiner Kinder um ein mildes Urteil.“ Das Gericht berücksichtigte zwar, dass W. dem Kind nichts angetan hat. Carolina und die Eltern müssten jedoch lebenslang die Folgen der Tat ertragen. „Sie haben der Familie großes Leid zugefügt“, sagte Dielitz. Ob das Kind dauerhafte Schäden davonträgt, sei noch ungewiss.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger, der sechseinhalb Jahre Haft gefordert hatte, prüft eine Revision. Das Gericht habe zu sehr aus der Opferperspektive geurteilt, sagte er.

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