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Berlin: Alle zwei Tage ein Einbruch

In Falkensee räumen Diebesbanden die Wohnungen aus. Sie haben es vor allem auf die vielen Neubürger abgesehen

Falkensee. Der neunjährige Morten sah als erster, dass Fremde im Haus gewütet hatten. Die Familie Hahne kam von einem Geburtstagsfest am frühen Abend zurück. Sie hatte am Mittag ihr Haus in der Rheinstraße in Falkensee verlassen. „Es muss noch hell gewesen sein, als die Diebe die Fensterscheibe vom Wintergarten einschlugen“, sagt Sabine Hahne. Die 38-jährige Mutter von drei Kindern ist immerhin froh, dass die Einbrecher nicht nachts kamen. Denn nicht nur am Tag, wenn die Hausbesitzer arbeiten, auch im Dunkeln, während im Obergeschoss die Eigentümer schlafen, wird in dem Städtchen direkt an der westlichen Stadtgrenze Berlins in Einfamilienhäuser eingebrochen. Und das fast jeden zweiten Tag.

Von Januar bis Ende September hat die Polizei bereits 195 Einbrüche im Landkreis Havelland gezählt – davon die allermeisten, nämlich 134, allein in Falkensee. Aufs Jahr gerechnet wären das 167 Taten. Kriminalhauptkommissar Thoralf Palm: „Oft sind es Profis, die immer nach dem gleichen Muster vorgehen.“ Falkensee sei bei den Dieben so beliebt, weil hohe Bäume und Hecken um große Grundstücke guten Sichtschutz bieten. Zudem kennen sich in den neuen Eigenheim-Siedlungen die Nachbarn oft nicht, auch deshalb blieben viele Einbrüche zunächst unbemerkt. Mehr als 10000 der 38000 Einwohner Falkensees sind erst seit 1996 neu hierher gezogen. Auch im Potsdamer Innenministerium wird als Erklärung für die Einbruchshäufigkeit der hohe Neubau-Anteil in Falkensee angegeben: „Da vermuten die Diebe, dass was zu holen ist“, so ein Sprecher.

Große Bäume umgeben auch das Grundstück der Familie Hahne. Im Haus verschonten die Eindringlinge kein Zimmer. Nahmen Schmuck, CD-Spieler, Videogerät, Fotoapparat, auch die Geldbörsen der Kinder mit. Nach dem Einbruch hat die Familie ihr Haus umgerüstet: Sicherheitsfenster wurden eingebaut, die Kellerfenster vergittert, eine automatische Beleuchtung an den Fassaden installiert. „Es ist ein komisches Gefühl, sich in seinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher zu fühlen“, sagt Sabine Hahne trotz aller Vorkehrungen. „Als ich hörte, dass auch meine Nachbarin und ihr Partner von maskierten Einbrechern aufgesucht und sogar brutal geschlagen wurden, war ich wie versteinert.“ Sie und ihr Mann hätten daraufhin schon darüber nachgedacht wegzuziehen. „Aber wir wollen unser Leben nicht von Kriminellen bestimmen lassen.“

Bei der Strukturreform der Polizei im Sommer 2002 wurden im Havelland zwei Kommissariate für Eigentumsdelikte, eines in Nauen und eines in Falkensee, errichtet. Acht Polizeibeamte bemühen sich seither, die Einbrüche in Falkensee zu klären. Oft holen sich die Beamten noch Unterstützung der Landespolizei. „Und wir versuchen durch eine höhere Polizeipräsenz, auch in Zivil, die Täter abzuschrecken“, so Hauptkommissar Palm

Tatsächlich konnte fast jeder zweite Wohnungseinbruch des ersten Halbjahres aufgeklärt werden. So wurde die sechsköpfige „Terrassenbohrer-Bande“ dingfest gemacht, die allein 44 Häuser in Falkensee ausgeräumt hatte. Doch die anderen Diebe ließen sich davon offenbar nicht irritieren: Weiterhin wird fast jeden zweiten Tag irgendwo in dem Städtchen in eine Wohnung eingestiegen.

So fürchtet auch Bürgermeister Jürgen Bigalke inzwischen, eines Tages nach Hause zu kommen und sein Heim ausgeräumt zu finden. Aber auch er kann die Falkenseer nur zu „mehr Wachsamkeit, Nachbarschaftlichkeit, Kontakt untereinander“ aufrufen. Einen anderen Rat weiß er sich nicht.

Dorothea Flechsig

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