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Berlin: Allerheiligen will selbstständig bleiben Katholische Gemeinde kämpft

SONNTAGS UM ZEHN Auf den Balkonen der properen Mietshäuser im Dreh der Räuschstraße in Reinickendorf blüht es noch verschwenderisch. Kleinbürgerliche Idylle vermeint man hier im Ortsteil Borsigwalde zu atmen.

SONNTAGS UM ZEHN

Auf den Balkonen der properen Mietshäuser im Dreh der Räuschstraße in Reinickendorf blüht es noch verschwenderisch. Kleinbürgerliche Idylle vermeint man hier im Ortsteil Borsigwalde zu atmen. Auch in der katholischen Kirche Allerheiligen. Sogar ein Säugling erlebt dort gestern artig und ohne einen einzigen Mucks die Messe im Arm seiner Mutter. Wie die übrige Gemeinde beherrscht die junge Frau die Gebete und Texte mit Selbstverständlichkeit – der Kirchenbesuch ist hier offensichtlich nicht die Ausnahme, sondern die sonntägliche Regel.

Die einzige Ausnahme in der von den Herz-Jesu-Priestern in den 30er Jahren gegründeten Kirche steht gestern auf der Kanzel – Pater Robert Stephen Mabonga aus Simbabwe. Nicht von dort, sondern aus Rom kam er in die Allerheiligen-Gemeinde – als Urlaubsvertretung von Pater Karl Schäfer. Bei einem Lehrer in Hermsdorf lernte der 36-jährige Afrikaner inzwischen so gut die ihm eisnt fremde Sprache, dass er gestern mühelos die Messe in Deutsch zelebrierte.

Die ungewöhnliche Urlaubsvertretung ergab sich durch Zufall. Mabonga kennt in Simbabwe eine deutsche Ordensschwester, die in Bonn einen Bruder hat, der wiederum Pater Schäfer kennt. Der Rheinländer wirkt seit 32 Jahren in Allerheiligen als Gemeindepfarrer – der von ihm seinerzeit nach Berlin „importierte“ Martinsumzug ist hier inzwischen in vielen Gemeinden alljährliche Tradition.

Wenn der Pater heute aus seinem Urlaub in Oberbayern zurückkommt, hat er andere Sorgen. Seine Gemeinde kämpft ums Überleben – im Vorschiff wurden gestern Unterschriften gegen die erzbischöfliche Entscheidung gesammelt, Allerheiligen am 30. April 2004 mit St. Bernhard in Tegel-Süd zu fusionieren. Nicht einverstanden ist man damit in der Borsigwalder Gemeinde, deren erste Mitglieder sich aus den überwiegend katholischen Arbeitskräften rekrutierten, die nach der Verlegung der Borsig-Werke 1896 aus der Innenstadt nach Tegel dorthin aus dem Rheinland und Schlesien zuzogen.

Nur weil die Diözese Insolvenz anmelden muss, will sich die Gemeinde nicht „einsparen“ lassen. Materielles lasse sich regeln, ideelle Werte seien kaum zurückzugewinnen. Die Chancen stehen aber schlecht für Allerheiligen. Im aktuellen Pfarrbrief informiert Pater Schäfer „meine Lieben“, dass sinngemäß im Bistum Berlin noch der Spruch gelte: „Roma locuta – causa finita“ – Rom hat gesprochen, der Fall ist entschieden. „Friede sei mit Euch“, sagte gestern Pater Mabonga.

Heidemarie Mazuhn

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