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Berlin: Alles für die Katz

60 Bewerber wollen „Cats“ werden, nur 40 haben eine Chance. Am Potsdamer Platz wurde gestern nicht nur wegen der Hitze geschwitzt.

Von Heidemarie Mazuhn

Im Wasserbecken am Marlene-Dietrich-Platz kühlt sich ein riesiger Schäferhund. Währenddessen schwitzen sieben Etagen über ihm die Katzen – im Probensaal des Musicaltheaters, wo das Casting für das Musical „Cats“ läuft. 60 junge Frauen und Männer bewerben sich um eine Rolle im Stück, das mit seinen hohen Anforderungen an Tanz, Gesang und Darstellung gleichermaßen als härteste Show der Welt gilt. Als erfolgreichste auch. Seit der legendären Welturaufführung am 11. Mai 1981 im New London Theatre in der Drury Lane im Londoner Westend erlebten über 50 Millionen Besucher in 26 Ländern und 300 Städten die Katzengeschichte zu der Musik von Andrew Lloyd Webber. Nach Zehntausenden Vorstellungen in Hamburg und über 500 in Stuttgart sind die „Cats“ im Anmarsch auf Berlin. Die Stage Holding will das Stück ab 20. Oktober am Potsdamer Platz präsentieren und hofft auf einen kommerziellen Erfolg.

In Berlin schnurrten „Old Deuteronomy“, „Grizabella“ und Co. bisher nur im Ostteil. Im August 1987 waren sie in der Komischen Oper zu sehen. Eine Zuschauerin von damals erinnerte sich am Rande der gestrigen Proben, auf welchem abenteuerlichen Weg sie doch noch eine Karte für die ausverkaufte Aufführung des Theaters an der Wien ergatterte: Sie rief aus Ost-Berlin in Wien an.

„One, two, three“, gibt indes die Choreografin Jenny Sawyer immer wieder das Kommando, nach dem sich die jungen Frauen und Männer im schnell durchgeschwitzten Trikot vor ihr möglichst katzenhaft winden und zugleich das Hinterteil graziös drehen. 60 von insgesamt 700 Bewerbern hatten es ins finale Casting geschafft – 60 Hoffnungen, die gestern fast sichtbar im schwülwarmen Probenraum waren, in dessen Ecken sich Berge von Rucksäcken, Wasserflaschen und Handtüchern türmten. Aus vielen deutschen Städten waren die jungen Leute nach Berlin gekommen, aber auch aus Städten in Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden.

„Für die Inszenierung brauchen wir 22 Darsteller, gesucht werden 40“, sagt der junge Produzent Thomas Lüdicke – „Cats“ schlaucht, da muss man Ersatz haben. Zunächst bis nächsten Sommer soll das Erfolgsmusical im „Theater am Potsdamer Platz“ gezeigt werden – so nennt die Stage Holding das von der insolventen Stella übernommene Musical-Haus am Marlene-Dietrich-Platz. „Cats“ in Berlin soll an das Londoner Original anknüpfen, zugleich aber „zeitgemäß für die Hauptstadt“ verändert werden. Fast greifbar nahe sollen die Katzen den Berlinern im Zuschauerraum kommen, den man dazu intimer gestalten will. Bisher wirkt er riesig. Auch an Songs will man herangehen, schneller sollen einige werden, moderner. „Updaten“ nennt das Lüdicke. An Songs wie „Memory“ wird hoffentlich nichts „upgedatet“, der Ohrwurm gehört zu den meistgespielten Songs im Radio und zum Erfolgsrepertoire von über 150 Sängern, darunter Angelika Milster und Barbra Streisand.

Bewerberin Sabine Hettlich singt derweil nur unverständliche, aber sehr klangvolle Katzen-Töne. Die junge Frau mit dem kurz geschnittenen Blondschopf tigert trällernd in dem engen Gang hin und her. Nach der gemeinsamen Tanzprobe sind Einzeltests und Gesang angesetzt. Die Presse muss aber draußen bleiben – die jungen Katzen-Anwärter sind schon so aufgeregt genug. Auch Profis wie Sabine Hettlich. Die in Berlin lebende Kölnerin kommt gerade von einer Fernsehshow in Italien, arbeitete schon in Los Angeles und trat im Friedrichstadtpalast auf. Und vor 16 Jahren bei den Hamburger „Cats“, die damals einen bundesweiten Musical-Boom auslösten. In ihrer Wahlheimat will sie es jetzt nochmals wissen, in „Cats“ singen und tanzen. Ob es geklappt hat, erfährt weder sie noch einer der anderen Kandidaten – erst am Abend will das Team um die seit 20 Jahren „Cats“-erfahrene Choreografin Chrissie Cartwright die Besetzung endgültig festlegen.

Ob Jens Janke mit dabei ist, muss da auch offen bleiben. Blumen bekam der Darsteller aus dem „Glöckner“ gestern trotzdem. Für seine Hochzeit mit Theaterleiterin Andrea Pier – einen Tag vor seiner für gestern Nachmittag angesetzten entscheidenden Gesangsprobe. Der Mann hat Kondition. Ein Profi eben.

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