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Berlin: Alles Handarbeit

Sting war in der Stadt. Schon vor seinem Konzert in der Waldbühne war er nett zu seinen Fans

Kann ein toller Musiker auch tolle Literatur schreiben? Beate, Fremdsprachensekretärin und Fan, hat das Buch jetzt schon dreimal gelesen und will immer noch nicht glauben, dass Sting selbst Hand anlegte. „Hat bestimmt einen Ghostwriter gehabt.“ Alexander, Geografiestudent und Fan, brauchte das Buch nur einmal zu lesen, um zu wissen, dass nur Sting es geschrieben haben kann. Jetzt stehen Beate und Alexander bei Dussmann in der Schlange wie alle Fans, seit anderthalb Stunden schon, und haben viel Zeit, über so grundlegende Fragen von Popmusik und Literatur zu diskutieren. „Man lernt sich hier richtig kennen“, sagte Beate. Viele haben ihre Fotoapparate griffbereit um den Hals, Sting- CDs im Rucksack, Wasserflaschen am Gürtel. Für Fans sind Warteschlangen etwas ganz Natürliches. Wer die Nerven verliert, ist einfach schlecht vorbereitet.

Sting, der sensible, fast introvertierte Musikpoet, kommt fünf Minuten vor der Zeit an den Signiertisch im Kellergeschoss des Kulturkaufhauses, radebrecht: „Guten Tag, alles. Ich bin Sting.“ Für die Fotografen schreibt er seinen Namen in ein paar Bücher. Nach zehn Minuten müssen alle Pressefotografen gehen, dann dürfen nur noch Fans in den Keller. Das hat das Management von Sting so beschlossen. Damit die Fans zum Zuge kommen, gab man offenbar sogar der britischen Botschaft einen Korb, ist zu hören. Die hätten Sting auch gern gehabt: für einen Edel-Empfang – ohne Fans.

„Da siehste nix, Conny.“ Conny, halblange braune Haare, so um die 40, repräsentiert den typischen weiblichen Sting-Fan. (Der typische männliche Fan ist bedeutend jünger und hat sich das Sting-Repertoire quasi im Rückwärtsgang erschlossen.) „Ein Stück Hals hab ich gesehen“, sagt Conny und lacht über ihr absurdes Fan-Verhalten. Wer zu spät gekommen ist, hat in der Schlange keine Chance mehr. Der muss ganz nach vorn ans Geländer, sich hinhocken und durch die Treppenstufen spähen. Manchmal sieht man sogar einen Gesichtsausschnitt, der beweist, dass Sting zurzeit über längere blonde Haare und einen hellbraunen, fast goldenen Teint verfügt. Gekleidet ist er unprätentiös wie seine Fans. Zu sehen ist nur ein schwarzes T-Shirt.

Weil Sting so sensibel ist und den Menschen zugeneigt, kann er nicht einfach maschinenhaft Bücher, Poster und CDs bekrakeln. Er gibt jedem Tischbesucher die Hand, fragt nach seinem Namen und auch mal, wie es denn so geht. Sting spricht ja ein wenig Deutsch. „Ich heiße Swantje“, sagt Swantje, zwölf Jahre alt und eher zufällig hier. Swantje? Das muss sich Sting buchstabieren lassen. So etwas dauert natürlich. Sting schafft gerade mal drei bis vier Fans in der Minute. Macht 240 Fans in der Stunde. In der Schlange stehen aber rund 1000. Und um 14 Uhr muss Sting zum Soundcheck in die Waldbühne, wo er am Abend sein Konzert geben sollte. Aus dem Lautsprecher eine Botschaft an die Fans: „Bitte nur ein Buch oder eine CD signieren lassen.“ Sting schüttelt weiter Hände und fragt, wie es so geht. Das kann nicht gut gehen. Robert Carlisle „from Scotland“ ist extra nach Berlin gekommen, um Sting zu sehen. Jetzt nicht reinzukommen, wäre für ihn eine Riesenenttäuschung. Kurz vor 14 Uhr laufen hektische Beratungen im Keller. Die Pressefrau von Dussmann, schon lange im Geschäft, sieht jetzt doch ein wenig fahrig aus. Dann sickert die Nachricht durch: Es wird verlängert. Die Fans müssen geahnt haben, dass Sting sie nicht im Stich lässt.

Das Buch übrigens heißt „Broken Music“ – mit diesen Worten kommentierte Stings Oma früher seine ersten Tastversuche auf dem Klavier – und beschreibt Stings Werdegang vom Pennäler in einfachen sozialen Verhältnissen zum Weltstar. Hat er übrigens selbst geschrieben, alle 380 Seiten, versichert Heidi Borhau vom S. Fischer-Verlag. Einer wie Sting kann so etwas eben.

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