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Berlin: Alles ist möglich

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Was ist nur am Konjunktiv so schwierig? Im Antrag der drei Oppositionsfraktionen zum Auftritt alter Stasi-Kader samt Rüge für Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS), der im Parlament zur Debatte stand, las ich folgenden Satz: „Als Vorsitzender des Stiftungsrats der Gedenkstätte Hohenschönhausen hätte der Senator das massive Auftreten von ewig Gestrigen ... verhindern und wenn das nicht gelingt, die Veranstaltung beenden müssen.“ Der eingeschobene Indikativ (wenn das nicht gelingt) ist natürlich fehl am Platz. Nach der Vorstellung der Opposition hätte Senator Flierl bei dem Ereignis die Möglichkeit gehabt, das Auftreten ehemaliger Stasi-Leute zu verhindern oder, wenn dies nicht gelungen wäre, die Veranstaltung zu beenden.

Leider werden der Indikativ und der Konjunktiv oft ungeniert durcheinander gebracht, als sei es unwichtig, zwischen Tatsachen und Möglichkeiten zu unterscheiden. In einem Zeitungsinterview sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): „Wenn doch gegen das Land Berlin entschieden würde, kann man das nicht den Hochschulen anlasten.“ Nein, man „könnte“ es nicht. Es ging ja nur um die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht die Rückmeldegebühren der Studenten für verfassungswidrig erklärt. „Ich würde es sehr bedauern, wenn dies das letzte Wort ist“, meinte FDP-Fraktionschef Martin Lindner zu einem anderen Thema. Entweder man bedauert, dass es das letzte Wort ist, oder man würde es bedauern, wenn es das letzte Wort wäre.

Auch bei der Wiedergabe von Äußerungen in indirekter Rede haben wir es oft mit dem verunglückten Konjunktiv zu tun. „In seinem Bezirk gäbe es keine ungeklärten Fälle“, wurde der Neuköllner Volksbildungsstadtrat Wolfgang Schimmang indirekt zitiert. Ebenso las ich in der Zeitung: „Klare Hinweise, dass es eine Raubtat war, gäbe es nicht, sagte der Leiter der 5. Mordkommission“. Ständig findet man solche Verwechselungen der Konjunktivformen. Der Konjunktiv I und II wird bei der Wiedergabe einer fremden Äußerung verwendet. Es gebe keine ungeklärten Fälle. Es habe damals keine Hinweise gegeben. Vor allem drückt man mit dem Konjunktiv II etwas nur Vorgestelltes aus: Hätte es Hinweise gegeben, wüsste man es. Es gäbe keine Fehler, wenn sie nicht gemacht würden.

„Nach Meinung der Grünen drohe eine Stadtbrache“ (falls das ICC abgerissen wird), hörte ich. Nein, sie „droht“, rein sprachlich. Hier ist der Konjunktiv gut gemeint, aber der Indikativ korrekt, da die Aussage nicht in indirekter Rede steht und als Meinung anderer gekennzeichnet ist. Ach ja, der Konjunktiv wäre kein Problem, würde man ihn gut behandeln.

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