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Berlin: Alles so sinnlos

VON TAG ZU TAG Werner van Bebber über die positiven Aspekte der Berliner Depression Sensible Beobachter wie der PolitikProfessor Peter Grottian spüren es und sprechen es auch aus: Die Berliner würden nur deshalb nicht temperamentvoll gegen den Senat und seine Kinderbetreuungspreissteigerung protestieren, weil sie mental erschöpft seien. Einfühlsam erläuterte er der Deutschen Presse-Agentur, die Menschen in der Stadt empfänden in Anbetracht der Berliner Schuldenlage „eine Sinnlosigkeit des Protestes“.

VON TAG ZU TAG

Werner van Bebber über die

positiven Aspekte der Berliner Depression

Sensible Beobachter wie der PolitikProfessor Peter Grottian spüren es und sprechen es auch aus: Die Berliner würden nur deshalb nicht temperamentvoll gegen den Senat und seine Kinderbetreuungspreissteigerung protestieren, weil sie mental erschöpft seien. Einfühlsam erläuterte er der Deutschen Presse-Agentur, die Menschen in der Stadt empfänden in Anbetracht der Berliner Schuldenlage „eine Sinnlosigkeit des Protestes“. Die Statistiker der Techniker-Krankenkasse (TK) haben Grottians Interpretation des Berliner Seelenzustandes nun mit harten Daten unterlegt: 1,3 Millionen Fehltage kamen 2002 in Berlin zusammen, weil Frauen und Männer an Depressionen leiden. Die psychischen Störungen sind zur dritthäufigsten Krankheitsursache in der Stadt geworden.

Verständlich, dass viele Leute Politik und Protest vitalen Professoren von Grottians Kaliber überlassen wollen. Sorgenvoll sehen wir, dass die letzten Protestwilligen ins Wasser gingen: Am Montagnachmittag bewegte sich langsam und schwerfällig ein Zug von 17 Schiffen über die Spree zum Reichstag. Organisiert haben die Wohlfahrtsverbände die Fahrt, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Verdi unterstützen die Titanic-hafte Reise ideell.

Aber man soll sich nicht hinunterziehen lassen – sehen wir das Gute: Bis zum Redaktionsschluss hat sich keins der Schiffe selbst versenkt. Und was die Depressionen anbelangt: Bedenklich hoch ist die Zahl der krankgeschriebenen Depressiven. Aber viermal mehr Leute nehmen Antidepressiva – und arbeiten trotzdem. (Seite 13)

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