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Berlin: Alptraum Heimat

Nach elf Jahren in Berlin wehrt sich eine Flüchtlingsfamilie gegen die Abschiebung – und hofft auf die Härtefallkommission

Der Frieden der Familie Shigjeqi endete am 12. Januar um 5 Uhr 30. Da stand die Polizei vor der Tür ihrer Neuköllner Wohnung, um die Familie in den Kosovo abzuschieben, wie die älteste Tochter Bukurije berichtet. Die letzte Duldung der Familie, die seit elf Jahren in Berlin lebt, war abgelaufen, die Anerkennung als Härtefall war abgelehnt worden. Die Beamten nahmen Mutter, Vater und fünf Kinder mit – Bukurije versteckte sich und flüchtete dann zu einer Freundin. Ihre Mutter und die Geschwister kamen kurz darauf wieder frei, der Vater blieb im Abschiebegefängnis Köpenick. Seitdem kämpft die 14-Jährige Bukurije darum, ihre Familie wieder zusammenzubringen – und um ein dauerhaftes Bleiberecht in Berlin. Am heutigen Mittwoch, so hofft die Familie, wird sich die Härtefallkommission beim Senat erstmals mit dem Fall beschäftigen.

Der Gedanke, dass sie und ihre Familie in den Kosovo abgeschoben werden könnten, ist für Bukurije Shigjeqi ein Alptraum. Das Albanisch ihrer Eltern spricht sie kaum, dafür wie ihre Geschwister fließend Deutsch. Sie geht in die sechste Klasse, wirkt aufgeweckt und für ein Mädchen in ihrem Alter sehr erwachsen. Im Kosovo, das hat sie von Cousinen gehört, die zurückgekehrt sind, würde sie Schreckliches erwarten: „Mädchen dürfen nicht zur Schule gehen, müssen im Haus arbeiten und werden an fremde Männer verkauft.“ Auch hätten sie und ihre Familie nicht mal ein Dach über dem Kopf: Ihr Haus wurde im Krieg vollständig zerstört. Das bestätigt der Brief einer Hilfsorganisation, den Bukurije aus dem dicken Ordner zieht, in dem sie sorgfältig alle Familiendokumente aufbewahrt.

Das junge Mädchen versteht nicht, warum ihre Familie nicht hierbleiben darf. Der Vater habe wiederholt Firmen gefunden, die den gelernten Bäcker einstellen wollten – aber die Behörden hätten das abgelehnt. Die Mutter leide unter traumatischen Kriegserinnerungen, trotzdem lerne sie fleißig Deutsch und will Arbeit suchen. „Wir könnten in unserer alten Heimat nicht mehr leben!“, sagt Bukurije.

Neben der Härtefallkommission beim Senat setzt die Familie auch weiterhin auf den Rechtsweg. Ihr Anwalt will Klage gegen die Ablehnungsbescheide der Behörden einlegen. Er befürchtet, dass die Familie trotzdem bald dauerhaft getrennt wird, da eine Abschiebung des Vaters unmittelbar bevorstehe. Das sieht Eva Weber von der unabhängigen Forschungsgesellschaft Flucht und Migration anders. Sie hofft, dass die Kommission beim Senat empfiehlt, die Familie aus humanitären Gründen hier zu behalten. Bis zur Entscheidung sei die Abschiebung ausgesetzt. Die endgültige Entscheidung erwartet sie bis zum Sommer.

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