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Berlin: Alte Liebe

Von Christian van Lessen Es gibt Fanatiker. Oder sagen wir besser: Fans.

Von Christian van Lessen

Es gibt Fanatiker. Oder sagen wir besser: Fans. Die sind ganz wild danach. Auf Reisen entwickeln sie, die sonst nie an Böses dächten, kriminelle Energien, nur um an ein geschätztes Stück zu kommen. Hotelzimmer sind so ein Tatort. Wer es sich leisten kann, klaut die Stücke in New York, Rio, Tokio. Das sind vielleicht dicke Dinger. Auch London, Paris oder Rom bieten Super-Andenken.

Hamburg, München, Köln sind natürlich auch nicht schlecht für Trophäen einer Leidenschaft. Viele, die sich beim Hotelauszug damit abschleppen, werden vom Hotelportier erwischt. Weil sie die Beute, die oft aus mehreren Teilen besteht, nicht gut im Gepäck vergraben oder plump unter den Mantel stecken, der dann so kantig ausbeult und Misstrauen erregt. Das ist, auch wenn meist nur ein strenger Blick tötet, unglaublich peinlich. Wer so auffliegt, ist kuriert fürs Leben.

In Berlin gibt’s das Souvenir auch. Für Berliner ist es sogar besonders reizvoll, allerdings nicht als Andenken. Man muss es nicht kaufen oder klauen, und wer das trotzdem tut, ist wirklich doof. Es begleitet uns mindestens zwölf Monate, wird geschätzt, aber oft nicht gut behandelt. So mancher trampelt sogar darauf herum, um größer zu sein. Manchmal wirkt es nach wenigen Wochen wie ein abgespielter Teddy. Eigentlich wie zwei abgespielte Teddys. Irgendwann ist der Anblick so traurig, dass sich die Leute, undankbar geworden, nach was Neuem sehnen. Nun ist es endlich wieder so weit. Wir dürfen uns freuen, jetzt können sie abgeholt werden – die neuen Telefonbücher. Sie sind wie eine alte Liebe, die stets wiederentdeckt wird.

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