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Willem Schoeber und seine Frau Anna Funke haben den alten Dorfkonsum wiederbelebt als Café, Bücherstation, Treffpunkt, Pilgerstätte.

© Thilo Rückeis

Alter Konsum Barsikow: Ein Treffpunkt für Jedermann

Anna Funke und Willem Schoeber engagieren sich in dem Dorf Barsikow. Den einstigen Laden verwandelten sie in ein Lokal.

Barsikow - „Hola, que tal?“, tönt es hinten aus dem Lagerraum, der schon lange keiner mehr ist. Hallo, wie geht's? Wie jeden Freitagabend sitzt eine Gruppe im „Alten Konsum“ von Barsikow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin beim Spanischkurs, während vorne im ehemaligen Verkaufsraum das Abendessen köchelt. Anna Funke, die Chefin des Hauses, bereitet es zu.

In Barsikow, einem Ort mit 185 Einwohnern, laden Anna Funke und ihr Mann Willem Schoeber, der im Moment Vokabeln mitpaukt, jeden Freitag und Sonntag in den ehemaligen Konsum ein. 1987 wurde er gebaut, stand nach der Wende leer, bis das Ehepaar Funke-Schoeber ihn modernisierte und im Mai 2018 als Gaststube und Treffpunkt für Jedermann eröffnete.

Die beiden Betreiber sind Zugezogene. Nach Barsikow kamen Funke und ihr niederländischer Mann 2006. Sie wollten einen Ort, an dem sie mit ihren sechs Kindern in ihrer freien Zeit zusammentreffen konnten. Er flog als Raffineriedirektor eines Ölkonzerns durch die Welt, sie arbeitete an der Kölner Uni-Klinik als Frauenärztin, kümmerte sich um HIV-infizierte Schwangere und um krebskranke Frauen. Für ihr ehrenamtliches Engagement erhielt sie vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau den Bundesverdienstorden.

Der Immobilienkauf war eine Spontanentscheidung, erzählt Willem Schoeber mit unverkennbar holländischem Akzent: „Fünf Tage, bevor es beruflich nach Amerika gehen sollte, gaben wir unseren Abschied in Bonn. Ein Berliner Ehepaar, das meine Frau aus Kolumbien kannte, erzählte von seinem Haus in Barsikow und wie schön es dort sei, ob wir nicht das Nachbarhaus, einen leerstehenden Bauernhof, kaufen wollten.“

Wenige Tage später unterschrieb Anna Funke (67) den Kaufvertrag, die ihrem Mann etwas später nach Amerika folgte. „Nach anderthalb Jahren Amerika nahm ich ein Jobangebot in Bremen an“, sagt Schoeber. Barsikow wurde zum Wochenenddomizil. „Wir haben das Haus renoviert.“

Bremen als Stadtsitz, dazu Barsikow als Landsitz

Im Juli 2013 rückte der Ruhestand heran. „Wir dachten, gut, eine Wohnung in Bremen als Stadtsitz, dazu Barsikow als Landsitz“, sagt der 71-Jährige. Nach einiger Zeit beschlossen sie, ganz nach Barsikow zu ziehen. Den Haag, Rotterdam, Frankreich, New York, Köln, Houston in Texas und Bremen und nun Barsikow.

Das Dorf war nach der Wende vom Wegzug gekennzeichnet. Laut einer Studie von „Zeit Online“ gingen aus keiner ostdeutschen Region so viele Menschen in den Westen wie aus Ostprignitz-Ruppin. 2016 baute Schoeber die Gruppe „Aus dem Dorf für das Dorf“ auf. Ein Nachbar spielt Trompete, der nächste Klavier, ein weiterer Gitarre. Die Dorfgemeinschaft singe dazu, so wie neulich beim Weihnachtskonzert in ihrer Kirche, sagt Schoeber.

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Doch mit der Gruppe allein war es für ihn nicht getan: „Der Mensch ist ein soziales Wesen.“ Er dachte an eine Kneipe: „Die sterben überall aus. Für die Gemeinschaft sind sie wichtig.“ Er dachte an den Dorfkonsum. Trostlos habe er ausgesehen, sei aber bestens geeignet gewesen für das Vorhaben. Mit seiner Frau Anna baute er ihn wieder auf, investierte viel, rettete aber auch alte Substanz, beispielsweise den Fliesenboden aus der Vorwendezeit. Das Mobiliar würfelten sie liebevoll zusammen.

Kritikpunkt: Internetverbindung

So sehr Barsikow Schoeber auch gefällt, einen gewaltigen Kritikpunkt gibt es dennoch. Die Internetverbindung sei nach wie vor mangelhaft: „Am Anfang bin ich nach Wusterhausen gefahren, um E-Mails herunterzuladen. Nun ist unsere Internetleitung fertig.“ Über einen privaten W-Lan-Hotspot kommen Gäste im und vor dem Gebäude ins Netz. „Mit Internet geht alles. Das ist die Zukunft der Dörfer. Man kann von hier aus in der ganzen Welt arbeiten.“

Das Dorf Barsikow in Ostprignitz-Ruppin.
Das Dorf Barsikow in Ostprignitz-Ruppin.

© Thilo Rückeis

Der Niederländer hat viel bewegt in Barsikow. Seit 2016 ist er Ortsvorsteher. „Und nun auch Kneipier“, sagt Anna Funke. Begeistert sei sie von der Idee ihres Mannes, den Konsum auf diese Weise zu betreiben, anfangs nicht gewesen.

Inzwischen ist der Spanischkurs vorbei. Die Teilnehmer gehen in den Gastraum, der sich gut füllt. Tische werden gerückt. „So ist das immer“, sagt Funke. „Die Leute wollen zusammensitzen.“ An diesem Freitag können sie sich dabei Walnuss- und Süßkartoffelsuppe schmecken lassen.

Der Alte Konsum öffnet jeden Freitag von 18 bis 21 Uhr, sonntags zwischen 14 und 17 Uhr, www.alterkonsum.de.

Anja Reinbothe

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