zum Hauptinhalt

Altes Berlin: Warum historische Funde keinen wundern sollten

Bei der Sanierung des Sockels für das geplante Einheits- und Freiheitsdenkmal wurden wilhelminische Mosaike gefunden. Die Verantwortlichen zeigen sich "überrascht". Warum nur?

Überraschungen sind nichts Ungewöhnliches bei Bauprojekten. Dass aber bei Vorhaben im historischen Zentrum der Stadt immer alle überrascht sein wollen, wenn Archäologen auf historische Funde in der Baugrube stoßen, das ist das eigentlich Überraschende: Gibt es diese Stadt wirklich schon seit Jahrhunderten?

Trotzdem geben sich die Verantwortlichen auch dieser Tage bei der Sanierung des Sockels für das geplante Einheits- und Freiheitsdenkmal verwundert – weil „überraschend“ gut erhaltene wilhelminische Mosaike entdeckt wurden. Dabei gehört das „Zoo von Wilhelm Zwo“, wie der Volksmund das Denkmalensemble rund um den bis heute bestehenden Sockel einst verballhornte, zu den beliebten Fotomotiven seiner Zeit.

Soll die zur Schau gestellte Überraschung vielleicht Schludrigkeit oder gar Ignoranz verbergen? Tatsache ist: Für die Landeskasse wird das bei öffentlichen Projekten teuer. Denn die Funde verzögern die Vorhaben und zwingen oft zu kostspieligen Korrekturen der Baupläne, wie unsere Beispiele zeigen.

Staatsoper unter den Linden

„Überraschend“ hatte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vor zwei Jahren den Fund von Holzfundamenten in 17 Metern Tiefe genannt. Dabei hätte ein Blick in die Geschichtsbücher vor Beginn des Projekts deutlich gemacht: Dort verlief die Festungsbastion der barocken Stadt.

Ausgegraben. Die Figur wurde vor dem Roten Rathaus gefunden.
Ausgegraben. Die Figur wurde vor dem Roten Rathaus gefunden.

© dpa

U-Bahnhof Berliner Rathaus

Die neu geplante Haltestelle vor dem Roten Rathaus entsteht genau dort, wo einmal das Gotische Rathaus stand, bis das größere Rote errichtet wurde. Mit Funden war zu rechnen. Unter dem Pflaster lagen hier moderne Kunstwerke von Bildhauern, die unter der Nazi-Diktatur verfemt worden waren. Berlin hat eine bewegte Geschichte – wie überraschend.

Straßenbahn Invalidenstraße

Auch beim Neubau der Straßenbahnverbindung zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof trafen die Handwerker „ganz überraschend“ auf einen gemauerten Kanalschacht, durch den die Panke fließt. Jedes Kind macht sich darauf einen Reim: „Am Schiffbauerdamm zwee fließt die Panke in die Spree“ – und dazu muss der Fluss durch Mitte durch. Die BVG sagt: „Der Kanal aus den 1870er Jahren war in keinem Plan verzeichnet“.

Alte Mitte

Auch Privatbauten sind für „Überraschungen“ gut. Beim „Allea101“ – das Kaufhaus am Alex wird bald eröffnet – stießen die Bauarbeiter auf Festungsmauer und Graben, die die Stadt einst schützten. Auch die Entdeckung der Grundmauern der Lateinschule am Petriplatz oder des Ermelerhauses an der Breiten Straße zeigen: In der Innenstadt ist mit archäologischen Funden zu rechnen.

Trotzdem „wird immer erst gegraben, wenn Neubauten schon geplant sind“, sagt Willo Göpel vom Bürgerforum Berliner historische Mitte. Erst graben, dann planen, fordert er. Das spare viel Ärger und Geld.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false