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Mit dem Hammer signiert. Lutz Werner schlägt sein Siegel in den Boden eines Baumkerzenhalters.

© Enrico Bellin

Altes Handwerk: Alles aus einem Guss

Er ist der letzte seiner Zunft in Brandenburg: Lutz Werner fertigt Gefäße und Kunstwerke aus Zinn – und vor Weihnachten auch Schwibbögen.

Es zischt und qualmt im Keller von Lutz Werner, als er die heiße Gussform ins Wasser hält. Er schlägt die Form auf und klopft den flachen, silbernen Baumkerzenständer heraus. Normalerweise steht er vier Stunden täglich in der Werkstatt, jetzt, in der Vorweihnachtszeit, aber den ganzen Tag. Da gießt er außer Kerzenhaltern auch Schwibbögen, Becher, Vasen. Lutz Werner, Jahrgang 1942, gilt als der letzte seiner Zunft in Brandenburg: Er ist Zinngießer.

„Eigentlich muss man in meinem Beruf Gestalter sein, Gießer und Zerspaner“, sagt der gebürtige Leipziger. Denn er entwirft jedes Stück selbst, mischt die Legierung aus Zinn und Kupfer an, schleift und poliert die fertigen Teile – erst dadurch erhalten sie ihren typischen Glanz. Sein Studium der Elektrofeinwerktechnik nützt ihm – wenn zum Beispiel der Heizstab seines 30 Jahre alten, zehn Kilowatt Strom ziehenden Schmelzofens in der Hochsaison mal wieder durchbrennt.

Warten auf den letzten Schliff. Das Schwert des Zinnsoldaten muss noch erneuert werden.
Warten auf den letzten Schliff. Das Schwert des Zinnsoldaten muss noch erneuert werden.

© Enrico Bellin

„Es hat mich immer fasziniert, was man mit Feuer und festem Zinn alles formen kann“, sagt er. Als Kind sah Lutz Werner gern dem Vermieter der Familie, einem Förster beim Gießen der Munition zu. Doch in seiner Jugend wurden Rundfunkmechaniker gebraucht, da konnte er aber immerhin mit Lötzinn arbeiten. Nach dem Ingenieurstudium kam Lutz Werner zu den Teltower Elektrobetrieben, erst mit Anfang 30 ging er in die Gießerlehre und absolvierte dann noch ein Gestaltungsstudium an der Hallenser Burg Griebichenstein. In Güterfelde machte er sich selbstständig. Die Geschäfte gingen gut vor der Wende, zehn Galerien verkauften seine Ware – meist unterm Ladentisch. Als die Mauer fiel, hatten er und seine Frau Erika, ebenfalls gelernte Zinngießerin, Existenzsorgen. „Wir fuhren mit unserem bis unters Dach beladenen Wartburg zu Ausstellungen quer durch die Republik, auch zu Messen nach London oder Paris“, erzählt er. Langsam baute sich ein Netzwerk mit anderen Kunsthandwerkern auf – und eine neue Käuferschicht, die gutes Handwerk zu schätzen weiß. Wer für ein Glas mit Zinnboden und -deckel, in dem man Spaghetti aufbewahren kann, 80 Euro ausgibt, weiß wie viel Arbeit darin steckt. Oder in den Krügen und Kannen: Die Scharniere, mit denen die Deckel befestigt werden, halten nicht durch einen Stift in der Mitte zusammen. Zuerst wird die untere Scharnierhälfte gegossen, dann ein Trennmittel aufgetragen und um das Ganze herum die obere Scharnierhälfte gegossen. Es entsteht ein nahtloses, kompaktes Gelenk, das trotzdem beweglich ist.

Dei fertigen Zinn-Kunstwerke brauchen kaum Pflege. Lutz Werner rät: nur gelegentlich mit Wasser und etwas Spülmittel abwischen, das verhindert das Anlaufen. Und falls doch mal etwas abbricht oder eindellt, kann er es reparieren. Schließlich kann Zinn erhitzt und neu in Form gebracht werden. Lutz Werners Material kommt aus dem Erzgebirge – in Barren, die wie vor 500 Jahren produziert werden. In das reine Zinn kann man noch mit dem Fingernagel eine Kerbe drücken, erst durch die Legierung mit Kupfer wird das Material hart.

„Im Osten der Republik gibt es nur noch drei Zinngießer, der Job ist den meisten heute zu hart“, sagt Werner. Wer einmal die mehrere Kilogramm schwere Form, die man beispielsweise für einen Zinnteller braucht, mit der Zange aus dem 400 Grad heißen Schmelzofen geholt und zum gleichmäßigen Abkühlen ins Wasserbad gehalten hat, weiß, wie anstrengend der Job ist. Wie lange Lutz Werner den noch macht? Da will er sich nicht festlegen. „So lange es eben Spaß macht“, sagt er. Also doch.

Am heutigen Sonntag, 23. November, ist von 11 bis 18 Uhr Verkaufsausstellung im Jägersteg 13 im Stahnsdorfer Ortsteil Güterfelde. Dabei kann man dem Zinngießer über die Schulter schauen.

Enrico Bellin

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