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Bis über den Rand. Seit Anfang März werden die blauen Altpapiertonnen einiger Haushalte nicht mehr geleert.

© Imago/Blickwinkel

Altpapier-Recycling in Berlin: 16.000 überquellende Tonnen

Einst war es ein ertragreiches Geschäft, heute scheint es schwierig, mit Altpapier noch Gewinne zu machen. Eine Firma in Berlin versprach, Altpapier gratis zu entsorgen. Nun quellen die blauen Tonnen der Kunden über.

Das Dilemma mit den blauen Papiertonnen ist bei der Fahrt durch die Straßen zwischen Marzahn und Köpenick nicht zu übersehen. Übervoll stehen sie vor allem in den Siedlungen mit Ein- und Zweifamilienhäusern vor den Grundstücken. Wo das nicht der Fall ist, haben die Eigentümer die schwere Tonne vorsichtshalber wieder auf ihr Gelände zurückgeschleppt. „Der Anblick ist ja nicht mehr mit anzusehen“, sagt eine ältere Frau im Frettchenweg in Mahlsdorf. „Das Papier fällt schon heraus. Wir warten schon seit Anfang März auf die Abholung.“

Dieses Problem haben derzeit wohl mehr als 16.000 Haushalte. Diese Zahl steht auf der Internetseite der Firma Recycling Team Berlin: Sie spricht von „zufriedenen Kunden“ in dieser Größenordnung. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Die zuerst kostenlose und dann zum Jahresende kostenpflichtige Entleerung der Papiertonnen findet nicht mehr statt. Recherchen über das private Unternehmen enden erfolglos. Beide Firmensitze in Köpenick sind verwaist. Auf telefonische oder schriftliche Anfragen gibt es keine Auskunft.

Ist das Recycling Team Berlin pleite?

„Die sind pleite und unser Geld ist wohl auch futsch“, sagt Gärtnermeister Norbert Blödorn. „Am 6. März war der letzte Abholtermin, seitdem warten wir vergeblich auf die Entsorgungslaster.“ Bis zum Herbst habe er nichts bezahlt. Dann folgten die Zahlungsaufforderungen von 40 Euro Pfand für die Tonne und einem Jahresbetrag von 24 Euro für die Entleerung. In den ersten beiden Monaten habe alles gut funktioniert, dann aber war plötzlich Schluss.

In seinem Briefkasten habe er zwar schon neue Angebote zur Papiertonnenentleerung anderer Firmen gefunden. „Aber ich habe doch noch einen gültigen Vertrag mit dem Recycling Team Berlin“, sagt der Gärtner. „Nun werde ich dem Unternehmen eine Frist zum Abholen der Tonne setzen und dann den Vertrag kündigen.“ Es sei alles sehr ärgerlich und aufwendig.

Geschäft mit Altpapier mittlerweile weniger ertragreich

Offensichtlich ist das einst so einträgliche Geschäft mit dem Altpapier nicht mehr kostendeckend. Sieben Unternehmen konkurrieren um die Entsorgung. Lediglich die kleine Firma Kühl leert die Tonnen noch kostenlos. Die Firma Berlin-Recycling als Tochter der Berliner Stadtreinigung (BSR) bietet für Bestandskunden mit der Tonne „Papierhamster“ noch den kostenfreien Service an. Beispielsweise im Pankower Ortsteil Blankenburg stellte die Firma Alba vor Jahren vor jedem Grundstück noch blaue Papiertonnen auf und warb mit der kostenlosen Entsorgung. „Steigende Kosten“, so teilte Alba im Spätherbst mit, würden das Unternehmen zwingen, künftig eine Gebühr zu verlangen.

„Der Papiermarkt unterliegt sehr großen Preisschwankungen auf dem Weltmarkt“, erklärt BSR-Pressesprecherin Sabine Thümler. Es sei heute sehr schwierig, mit Altpapier und anderen Recyclingmaterialien Geld zu verdienen.

Laut BSR verbraucht jeder Einwohner pro Jahr rund 250 Kilogramm Papier. Der Anteil des Altpapiers beträgt immerhin 68 Prozent. Bis zu fünfmal kann Papier wiederverwertet werden. In Berlin wird durch das Sammeln von Altpapier jährlich so viel Holz eingespart, wie im Grunewald geschlagen wird.

Offensichtlich hat sich die Firma Recycling Team Berlin aber mit ihrem Geschäftsmodell verspekuliert. Die übervollen blauen Tonnen auf Berlins Straßen zeugen davon.

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