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Berlin: Am Ende war das Wort

Peter Renn war Betonbauer. Jetzt ist er Museumspädagoge und zeigt Besuchern, wie man Bücher bindet

Katzen haben neun Leben, sagt man. Peter Renn anscheinend auch. Der 57-Jährige arbeitete schon in den unterschiedlichsten Jobs. Erzählt er davon, sagt er immer wieder: „Das war in einem anderen Leben.“ In dem als Betonbauer zum Beispiel. Das ist so lange her, dass er am liebsten gar nicht mehr darüber sprechen möchte. Oder in dem als Erzieher in der Kinderpsychiatrie. Auch lange her.

Viel lieber erzählt er von seinem jetzigen Leben. Das hat mit Beton nichts zu tun, dafür viel mit Kunst, handwerklichem Geschick und Pädagogik. Es findet hauptsächlich statt in der altertümlichen Druckerei des Kreuzberg-Museums, zwischen historischen Pressen, Bleilettern und der Papierschneidemaschine. Obwohl die Werkstatt sauber gefegt ist, hat man das Gefühl, über allem liege eine feine Staubschicht aus vergangener Zeit. Hier zeigt Peter Renn vor allem Kindern und Jugendlichen, wie man Bücher bindet. Zum Beispiel „Vignetten-Heftchen“ mit dem Bild einer Istanbuler Moschee. Das passt zu Kreuzberg, meint Renn. Außerdem fertigt er mit ihnen Radierungen, Siebdrucke und Linolschnitte. Gerade ist eine Gruppe von einer nahe gelegenen Schule da. Sie bastelt an einem Berlin-Kalender.

Wie wird aus einem Betonbauer ein Museumspädagoge und Buchbinder? „Man kann eben nicht ewig im Akkord auf Baustellen arbeiten“, sagt Peter Renn. Er hat sich irgendwann zum Erzieher und Heilpädagogen umschulen lassen und mit Kindern, Jugendlichen und auch mit Behinderten gearbeitet. In seiner Freizeit begann er zu malen – das war vor mehr als 30 Jahren.

Jahrelang ging er jede Woche zur Volkshochschule Spandau, um dort etwas über Malerei und Grafik zu lernen. Irgendwann starb sein Dozent. Peter Renn, sein dienstältester Schüler, übernahm den Kursus und gründete mit seinen Schülern eine Art Künstlerclub, in einem alten Postgebäude an der Heerstraße. Dort stellt Renn auch seine Gemälde in Öl und Acryl aus. In ihnen interpretiert er die Bibel auf skurrile Weise – und mit einem Augenzwinkern. Zum Beispiel so: Johannes tauft Jesus in der Badewanne, und der trägt dabei eine Badekappe. Renn sitzt, wenn man so will, auch in einer Art Becken: dem zentralen Stellenpool für Überhangkräfte der öffentlichen Verwaltung. Nachdem er in der Tagesstätte für Behinderte aufgehört hatte, wurde er ins Museum versetzt, das war vor zwei Jahren. Schließlich hatte er Erfahrung mit Kindern und Kunst. Das Buchbinden lernte er erst, nachdem er die neue Stelle angetreten hatte.

In der historischen Werkstatt scheint er nach den vielen anderen Stationen endlich angekommen. „Hier fühle ich mich wirklich wohl“, sagt er. Doch er muss seinen kreativen Arbeitsplatz auch immer wieder mal auf Abruf verlassen. Manchmal wird er an anderer Stelle gebraucht, dann muss er sich um Briefwähler oder um die Statistiken der Jobcenter kümmern. Bei dem Gedanken daran sieht er nicht gerade fröhlich aus, aber beklagen will er sich nicht.

Schließlich bleibt ja noch die Freizeit. Da wandert er zum Beispiel den Jakobsweg entlang. „Obwohl ich nicht in der Kirche bin.“ Oder er liest „als Außenstehender“ die Bibel – auf Motivsuche. Weihnachten mag er auch: „So lange es nicht zu kitschig wird.“ Zur Not setzt er dem Christkind eben eine Badekappe auf.

Historische Druckerei Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95 a, Tel. 50 58 52 33, www.kreuzbergmuseum.de

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