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Berlin: Am Limit

Reinickendorfs Handballern fehlen Geld, Siege und ein Image

Von André Görke

Bis tief in die Nacht hatten sie am Tisch gesessen und geredet. Draußen war es kühl geworden und still. Der Stadtteil Waidmannslust lag längst in der Dunkelheit. Erst zwei Stunden nach Mitternacht schnappte sich Thomas Micheli seine Jacke und ging nach Hause. Er hatte Feierabend.

Stundenlang hatten sie debattiert. Es ging um Handball. Micheli ist Manager des Zweitligisten Reinickendorfer Füchse, und seinem Klub ging es schon mal besser. Die Handballer der Füchse sind Tabellenletzter. Vier Spieltage ist die Saison erst alt, und an jedem Wochenende setzte es für die Füchse eine Niederlage. So etwas frustriert. Micheli sagt: „Wir müssen uns Gedanken machen.“

Die Füchse hatten am Samstagabend auch gegen die HSG Tarp-Wanderup verloren, am Ende hieß es 28:31. Drei Tore Unterschied sind nicht viel; in Hildesheim vor drei Wochen waren es noch neun. Nur hatten die Füchse gegen Altenholz schon knapp verloren, auch in Rostock, und irgendwann „geht die Mannschaft kaputt“, sagt Jörg Herrmann. Er ist der Cheftrainer. Eigentlich. Am Samstagabend war er auch Torhüter. Herrmann kann diesen Job gut. Er war früher einmal Nationalspieler. Doch als er sich in der zweiten Halbzeit einwechselte, weil sich Torhüter Chamber-Montalvo verletzt hatte, war nichts mehr zu retten. 9:8 hatten die Füchse geführt, eine Viertelstunde später stand es 10:18. Das war der Halbzeitstand.

So langsam fragen sie sich bei den Füchsen, was sie in dieser Liga überhaupt sollen. Zweite Bundesliga – das klingt nett, keine Frage. Nur scheint es in Berlin niemanden zu interessieren. Die Heimspiele tragen die Füchse in der schicken Sporthalle neben der Waldbühne aus. „Wir wollen zeigen, dass wir kein Kiezklub sind“, sagt Manager Micheli. „Wir sind ein Verein für ganz Berlin.“ Das Problem: Die Halle liegt im Niemandsland. Am Samstag kamen 200 Zuschauer.

Micheli ist nicht etwa größenwahnsinnig. Nur: „Wir müssen aus unserer Nische raus“, sagt er. „Wir haben unsere Wurzeln in Reinickendorf. Aber wir müssen uns verändern.“ So etwas wie ein Image wäre nicht schlecht – jung und lässig vielleicht. Den Anfang haben die Spieler gemacht: Vor zwei Wochen stellten sie neben der Gedächtniskirche ein Tor auf und zeigten den Berlinern, dass in ihrer Stadt auch Handball gespielt wird.

Bei den Heimspielen hängen an der Hallendecke ein paar Werbeplakate. Einen Brustsponsor haben die Handballer nicht. Anfangs wollten sie 35 000 Euro haben, „aber 20 000 wären auch okay“. Der Preis sinkt weiter. Um einen Teil des Loches im 200 000-Euro- Etat zu stopfen, werden die Spieler in Zukunft mit Kleinbussen zu den Auswärtsspielen reisen. „Wir sind am Limit“, sagt Micheli. „Finanziell und sportlich.“ Einen Spieler hat der Klub verpflichten können, und die anderen spielen vor allem bei den Füchsen, weil sie neben ein paar hundert Euro einen Job vermittelt bekommen haben.

Das Umdenken bei den Füchsen hat begonnen, jetzt, nach vier Niederlagen. „Vielleicht müssen wir den Mut aufbringen und ein paar Euro in neue Spieler investieren“, sagt Micheli. In den nächsten Monaten wollen die Handballer eine Kapitalgesellschaft gründen. Das würde den Füchsen Steuervorteile bringen. Bislang aber, sagt Trainer Herrmann, „können wir den Leuten nur Leidenschaft bieten“. Manchmal nicht einmal die.

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