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Berlin: Am Ort der Mode werden jetzt Texte geschneidert

Die „Jüdische Allgemeine“ ist am Hausvogteiplatz eingezogen. Am Montag wurde die symbolische Schlüsselübergabe gefeiert

Die jüdische Presse kehrt an den historischen Ort zurück – in unmittelbare Nähe des früheren Berliner Zeitungsviertels und des Gendarmenmarktes. Als erste Mieter sind die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ und der Mosse Verlag an den Hausvogteiplatz Nummer 12 gezogen, in das „Haus zur Berolina“. Gearbeitet wird dort zwar schon seit Wochen, am Montagabend aber wurde der Umzug feierlich begangen: mit der symbolischen Schlüsselübergabe an die neuen Mieter und mit Anbringung der Mesusa.

Die Mesusa ist eine Pergamentrolle, die die Juden an den Eingängen ihrer Häuser und Höfe sowie am rechten Türpfosten jedes Wohnraums anbringen. Die Pergamentrolle steckt in einer Kapsel und enthält zwei handgeschriebene Texte aus dem Alten Testament. Sie dient der ständigen Erinnerung an Gottes Gebote. Der Sprecher der deutschen Rabbinerkonferenz, Joel Berger, und der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, brachten die Mesusa am Abend an. Bei der Feier waren rund 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur zugegen. Korn betonte, die Stimme des Blattes werde besonders gebraucht in Zeiten, in denen über die Frage diskutiert werde, ob Antisemitismus in Deutschland wieder erstarke.

Das denkmalgeschützte Gebäude mit der Neorenaissance-Fassade hat wie die ganze Gegend eine bewegte Geschichte; am stärksten war die Prägung durch die jüdischen Konfektionäre, die sich seit dem 19. Jahrhundert rund um den dreieckigen Platz angesiedelt hatten, der damals noch Schinkelplatz hieß. Sie machten Berlin zur wichtigsten Modestadt Europas nach Paris, bis die Nationalsozialisten kamen. Ein Mahnmal aus Spiegeln erinnert auf dem Hausvogteiplatz daran.

„Wir haben uns bewusst für diesen Ort entschieden“, sagte der stellvertretende Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, Christian Böhme, dem Tagesspiegel. „Damit wollen wir gezielt an die alte jüdische Tradition anknüpfen.“ Zugleich stellte die Zeitung um auf wöchentliche Erscheinungsweise – in den vergangenen zehn Jahren erschien das vom Zentralrat der Juden in Deutschland finanzierte Blatt nur zweiwöchentlich. „Jüdischen Sichtweisen eine Stimme geben“, das will die Zeitung, die laut IVW eine Auflage von 25000 Stück hat. Dass das jetzt wieder wöchentlich geht, liegt auch an dem Staatsvertrag, den die Bundesregierung mit dem Zentralrat der Juden geschlossen hat. Dadurch kam mehr Geld in die Kasse.

Als nächstes wird am Hausvogteiplatz das so genannte Memhard-Ensemble fertig gestellt, zwei Neubauten.

Fatina Keilani

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