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Berlin: „Am tollsten fand ich, wenn Mama Westgeld hatte…“

…dann konnte sich Sarah Kuttner am Alex ein Cornetto-Eis kaufen. In Mitte und Prenzlauer Berg hat die Viva-Moderatorin eine glückliche Kindheit verbracht.

Wenn ich höre, Prenzlauer Berg sei ein Szeneviertel, dann rege ich mich immer richtig auf. Der Kiez ist im Gegenteil nämlich total familiär. Die Menschen schieben hier gemütlich ihre Fahrräder durch die Straßen, mit Einkäufen oder Kindern hintendrauf, und gucken dir freundlich ins Gesicht. Und im Sommer sieht man in den Seitenstraßen, da, wo die unsanierten Häuser sind, wie die alten Leutchen aus dem Fenster schauen und das Leben auf den Straßen beobachten. Da möchte ich am liebsten immer allen laut Guten Tag sagen, auch wenn ich sie gar nicht kenne. Und: Hier kann ich wirklich ganz gemütlich durch die Straßen schlumpfen, ohne sofort als VivaModeratorin erkannt zu werden. Vielleicht habe ich auch deshalb meine Wohnung behalten. Wenn ich nicht in Köln arbeite oder bei meinem Freund in Hamburg bin, komme ich her.

Vom Nachtleben kriege ich dann nicht viel mit. Ich bin kein Nachtmensch. Wenn ich abends rausgehe, dann mit Freunden in ein Café zum Kartenspielen. Oder essen. Ich esse gern! Mein Lieblingsrestaurant ist die Trattoria Paparazzi in der Husemannstraße. Es ist da sehr bodenständig, das mag ich. Man kann nicht mit Karte zahlen, und es gibt Stoffservietten. Die Pappardelle mit Wirsingkohl kann ich übrigens sehr empfehlen.

Fast mein ganzes Leben habe ich in Mitte und Prenzlauer Berg verbracht. Bis ich achtzehn war, haben wir in der Rochstraße gewohnt, und es sah natürlich anders aus als jetzt, voller unsanierter Altbauten, viele übersät mit Einschusslöchern. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, in einer trostlosen, grauen Höhle aufzuwachsen, so, wie viele Leute sich das heute vorstellen. Die Häuser waren ja trotzdem schön mit all dem Stuck und den verschnörkelten Eisenbalkonen. Ich hab’ halt wie jedes Kind ganz in meiner Mama-Papa-Hausaufgaben-Welt gelebt und rundum sonst nicht so viel wahrgenommen.

Am tollsten fand ich damals, wenn Mama Westgeld hatte und ich im Intershop am Alex ein Cornetto-Eis kaufen konnte. Nachmittags sind wir dann über die Hinterhöfe gerannt oder auf Dächer geklettert. Oder wir sind zum Alexanderhaus gegangen. In einem der Ämter dort gibt es nämlich einen Paternoster, in dem wir immer die ganze Runde gefahren sind. Das erste Mal war’s eine Mutprobe: Wir dachten, die Kabine würde sich oben auf den Kopf stellen und uns auskippen.

Später war ich dann viel im Didgeridoo in der Kniprodestraße und hab’ gekickert. Und dienstags in der Wabe in der Danziger Straße, zum Zwei-Mark-Kino. Da war ich sechzehn, in etwa. Das muss auch die Zeit gewesen sein, als ein Freund meinen Namen an eine Wand meiner Schule, des John-Lennon-Gymnasiums, gesprayt hat. Ein toller Liebesbeweis, dachte ich damals. Ob das da noch steht? Ich müsst’ mal gucken gehen. Aufgezeichnet von Anne Seith

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