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Berlin: Amsterdamer Senioren satteln um Weil Ältere mehr radeln, muss neu geplant werden

Der Name des Symposiums klang harmlos, als die Niederländische Botschaft in Berlin zum Erfahrungsaustausch geladen hatte. Was unter dem Titel: „Fahrrad und Urbane Mobilität“ präsentiert wurde, sah dann eher danach aus, als wollten die Nachbarn Entwicklungshilfe leisten.

Der Name des Symposiums klang harmlos, als die Niederländische Botschaft in Berlin zum Erfahrungsaustausch geladen hatte. Was unter dem Titel: „Fahrrad und Urbane Mobilität“ präsentiert wurde, sah dann eher danach aus, als wollten die Nachbarn Entwicklungshilfe leisten. Botschafter Marnix Krop höchstselbst bekannte sich als leidenschaftlicher Radfahrer und berichtete von „regelmäßig unzureichender Infrastruktur, unaufmerksamen Autofahrern, falsch geparkten Taxis und Lastwagen“, die er auf seinen Radtouren durch Berlin erlebe – und fügte hinzu: „Ähnliche Probleme hatten wir auch in Holland.“

Warum die Berliner Gegenwart in den Niederlanden bereits Vergangenheit ist, erklärt der Verkehrsingenieur Dirk Iede Terpstra aus der Amsterdamer Stadtverwaltung: 90 Prozent des Hauptstraßennetzes haben Fahrradspuren oder separate Radwege, für die feste Qualitätsstandards gelten: Asphalt, durchgängig rote Markierung, Mindestbreite 1,80 Meter. Das Ergebnis: 47 Prozent aller Wege in der niederländischen Hauptstadt werden per Rad erledigt – fast viermal so viele wie in Berlin, wo selbst neue Radwege teilweise schmaler sind als die in Deutschland minimal vorgeschriebenen 1,50 Meter. Die restlichen Hauptstraßen werden nach Auskunft von Terpstra demnächst nachgerüstet. Und im Amsterdamer Nebenstraßennetz hindern Fahrbahnschwellen in Kombination mit seitlichen Pollern die Autos an allzu schnellem Fahren, ohne dabei die (ungefederten) Radler auszubremsen. Seit 2007 hat die rund 900 000 Einwohner zählende Stadt jährlich 20 Millionen Euro in Fahrradprojekte investiert – fast dreimal so viel wie das deutlich größere Berlin. Landesweit ist das Radwegenetz seit 1996 um 12 000 auf jetzt 30 000 Kilometer gewachsen. Holland war also keineswegs „schon immer“ so fahrradfreundlich wie heute.

Nach Vollendung des Basisnetzes wenden sich die Niederländer der nächsten Stufe zu: Landesweit 20 Schnellwege sollen vor allem Pendler auch für längere Strecken aufs Rad locken. Die möglichst frei von Ampeln und Fußgängerquerungen gehaltenen Trassen sind für Tempo 35 ausgelegt. Zumal auch im Land der gemütlichen Holland-Räder das Geschwindigkeitsniveau steigt: Mit rund 15 Prozent Anteil am Bestand sind die elektrisch unterstützten Pedelecs schon weiter verbreitet als in Deutschland. Zu 80 Prozent würden sie von über 50-Jährigen gekauft, berichtet Kate de Jager aus dem niederländischen Infrastrukturministerium. Ein Resultat dieses Trends: Während die Fahrradnutzung bei den Jüngeren seit 1993 etwa stagniert, fahren Ältere jetzt wesentlich häufiger mit dem Rad. Wohl auch deshalb steige die Zahl der Schwerverletzten seit Jahren – und zwinge die Behörden, mehr für die Sicherheit zu tun. Wobei die Niederlande gemessen an der Fahrleistung der Bürger schon jetzt „das sicherste Fahrradland in Europa“ seien, sagt Roelof Wittink, Direktor des Fachverbandes Dutch Cycling Embassy. Der zweite Platz für Dänemark beweise, dass Radfahren dort am sichersten sei, wo es selbstverständlich zum Verkehrsalltag gehört. Stefan Jacobs

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