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Der ehemalige Brandenburger Landtagsabgeordnete Peer Jürgens (Die Linke, M) unterhält sich im Amtsgericht in Potsdam vor Prozessbeginn mit seinen Anwälten Marlen Block und Norman Lenz.

© dpa

Amtsgericht Potsdam: Linken-Politiker Jürgens schweigt im Betrugsprozess

Der ehemalige Brandenburger Landtagsabgeordnete Peer Jürgens (Linke) muss sich wegen schweren Betrugs und Wahlfälschung verantworten. Er soll falsche Angaben zum Wohnsitz gemacht haben.

Vor zwei Wochen verschickte er bei Facebook Fotos aus Venedig, er begleitete als Mitarbeiter der Linksfraktion im Brandenburger Landtag den Bildungsausschuss auf einer Dienstreise. Am Dienstag am Amtsgericht Potsdam hielt sich das Mitteilungsbedürfnis von Peer Jürgens in Grenzen. Er ist angeklagt, sich als Landtagsabgeordneter von 2004 bis 2014 durch falsche Angaben zu einem Wohnsitz 86  701 Euro erschlichen zu haben. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug und Wahlfälschung. Er soll im Mai 2014 für den Kreistag von Oder-Spree kandidiert haben und gewählt worden sein, obwohl er dort keinen Hauptwohnsitz gehabt habe.

Versuche der Verteidiger, eine Verhandlung zu vermeiden, hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Dabei hätte Jürgens ein Geständnis abgelegt und einen Strafbefehl über ein Jahr Haft zur Bewährung akzeptiert. Vor Gericht schweigt er nun. Doch viel Belastendes kam am ersten Verhandlungstag nicht heraus. Nur ein kleiner Teil der Vorwürfe, die der 36-jährige Jürgens eingeräumt hatte, bestätigte sich. Die Anklage wirft Jürgens vor, bereits bei seinem Einzug in den Landtag 2004 in einem Fragebogen „bewusst wahrheitswidrig“ erklärt zu haben, sein Hauptwohnsitz sei Erkner (Oder-Spree). Nach der damals geltenden Regelung bekam Jürgens vom Landtag eine Entfernungspauschale. Tatsächlich soll er nicht in Erkner bei seiner Mutter, sondern in Berlin-Friedenau gelebt haben. Ein Freund der Familie hatte dort, wie er am Dienstag aussagte, Jürgens seine günstige Genossenschaftswohnung untervermietet. Ob Jürgens dort lebte, konnte der Zeuge nicht sagen.

Entfernungspauschale stieg von 650 Euro auf 820 Euro

2006 zog Jürgens nach Potsdam in eine Mietwohnung, nach Auffassung der Anklage sein Hauptwohnsitz. Jürgens kassiert vom Landtag den Zweitwohnungszuschuss von monatlich 250 Euro. Zu Unrecht, findet die Staatsanwaltschaft, weil es der Lebensmittelpunkt gewesen sei. Eindeutig belastet wurde Jürgens am ersten von fünf Verhandlungstagen von einer Zeugin. Sie hatte 2009 die Wohnung übernommen, der Genosse bezog eine Eigentumswohnung in Potsdam, den Mietzuschuss des Landtags kassierte er bis 2011. Für die letzten Jahre bekam er 7400 Euro. Für die Verteidigung ist das der einzige Betrug, der nachweisbar ist. Die Summe hat er an den Landtag zurückgezahlt.

Schließlich erklärte Jürgens 2011 dem Landtag, er verlege seinen Hauptwohnsitz von Erkner nach Beeskow, die monatliche Entfernungspauschale stieg von 650 Euro auf 820 Euro. Aus Sicht der Anklage diente die Wohnung in Beeskow nur der Täuschung: Spartanisch eingerichtet, mit Bett und einer Zeitschaltuhr an der Stehlampe, alles nur für gelegentliche Übernachtungen.

Jürgens einstige Wahlkreismitarbeiterin aber berichtete vor Gericht, dass er sich dort häufig abgehalten habe. „Eine typische Single-Wohnung“, sagte sie. Für Jürgens koordinierte sie die Termine: Zugleich war er Kreischef der Linken in Oder-Spree und saß im Kreistag. „Peer Jürgens war im Wahlkreis sehr viel unterwegs, das kannte ich nicht so von anderen“, sagte die Zeugin.

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