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Berlin: An den Einstellungshürden scheitern die meisten - Neues Infoblatt auf deutsch und türkisch

Am Anfang der Informationsveranstaltung der Polizei im Mathegebäude der Technischen Universität war die 17-jährige Gymnasiastin Süreyya "sehr interessiert" am Polizeiberuf. Mit ihr waren etwa 40 andere türkische oder türkischstämmige Realschulabsolventen und Abiturienten vom Zentrum für Interkulturelle Berufs- und Beschäftigungsförderung (IBB) in Kreuzberg in den Uni-Hörsaal gekommen, um sich über Bewerbung, Aufnahmeprüfung und Berufsbild zu erkundigen.

Am Anfang der Informationsveranstaltung der Polizei im Mathegebäude der Technischen Universität war die 17-jährige Gymnasiastin Süreyya "sehr interessiert" am Polizeiberuf. Mit ihr waren etwa 40 andere türkische oder türkischstämmige Realschulabsolventen und Abiturienten vom Zentrum für Interkulturelle Berufs- und Beschäftigungsförderung (IBB) in Kreuzberg in den Uni-Hörsaal gekommen, um sich über Bewerbung, Aufnahmeprüfung und Berufsbild zu erkundigen.

Gleich zu Anfang der Veranstalung nannte Alisan Genç vom IBB eine ernüchternde Zahl. Nur 46 Jugendliche nichtdeutscher Herkunft hätten 1997 eine Ausbildung im Öffentlichen Dienst beendet. Umgekehrt versucht die Polizei seit 1988 durch gezielte Werbeaktionen bei nichtdeutschen Jugendlichen das Interesse für diesen Beruf zu wecken. Im Moment wird sogar an einem neuen Infoflyer gearbeitet, der dieses Mal sogar auf deutsch und türkisch sein soll, weil die Bewerberzahl im vergangenen Jahr rapide zurückging.

Süreyya überlegt sich, die Schule nach der 11. Klasse zu verlassen und sich für den mittleren Dienst der Schutzpolizei zu bewerben. Der 19-jährige Ilker aus Charlottenburg, der die 12. Klasse besucht, erzählt dagegen, er wolle sich nach dem Abitur um eine Ausbildungstelle für den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei bemühen. So machte sich Polizeihauptmeister Jürgen Neubauer vom Referat Werbung und Einstellung mit seinem Kollegen Atilla Güngör von der Verwaltung gleich an die Arbeit, um den Jugendlichen mit Hilfe von Diaprojektor und reichlichem Infomaterial alles Wissenwerte zu vermitteln.

Für die Ausbildung für den mittleren Dienst bei der Schutzpolizei seien in diesem Jahr bei der Polizei rund 2000 Bewerbungen eingegangen, höchstens 200 Interessenten würden eingestellt. Einer der Hauptbedingungen bei der Auswahl der geeigneten Bewerber sei der Notendurchschnitt, der in den Fächern Deutsch, Mathe, Englisch und Geschichte nicht schlechter als 3,0 sein dürfte, egal welchen Schulabschluss die Bewerber hätten. Auch scheinbar unwichtige Fähigkeiten, wie die Leistung im Schwimmunterricht und beim Wettlauf, seien wichtige Kriterien. Ein türkischer Pass sei kein Problem, da sich die Jugendlichen während der Ausbildung einbürgern lassen könnten.

Zwischendurch stellten die Jugendlichen Fragen, wie zum Beispiel nach einer Einstellungsquote. In diesem Fall antwortete Jürgen Neubauer: "Wir tun ihnen keinen Gefallen damit, denn spätestens die Einstellungsprüfung und die Ausbildung müssen sie bestehen können." "Was ist mit Jugendstrafen", wurde schließlich noch gefragt. "Wir überprüfen natürlich ihren Leumund und bei laufenden Ermittlungsverfahren haben sie keine Chance. Doch bei Jugendsünden, wie Mutproben und Streiche, gucken wir uns die Bewerbung trotzdem an."

"Was ist, wenn mein Schnitt schlechter als 3,0 ist, ich in Deutsch aber sehr gut bin", fragte ein anderer. "Das mit dem Schnitt ist nun einmal so entschieden worden", kam als Anwort. Koral, der zwar eine Ausbildung zum Anlagemechaniker macht, doch lieber Beamter werden will, äußerte daraufhin flüsternd Kritik. Er erfülle alle Voraussetzungen, müsse aber zum Beispiel neben den Gebühren für den Führerschein auch die Kosten für die Einbürgerung aus eigener Tasche bezahlen.

Dann kommt Neubauer zum Kapitel Berufsbild. "Sie dürfen nicht blauäugig in den Beruf gehen", sagte er. "Sie werden Leute festnehmen, die ihnen das übelnehmen, und Tote und Verletze sehen." Nach der Ausbildung beginne erst der Dienst in einer Direktionshundertschaft, was heiße: Wochenenddienste, Einsatz bei Großdemonstrationen, Objektschutz und auch der Dienst an einer ausgefallenen Ampelanlage.

Doch auch die einstündige Veranstaltung deckte nicht das Informationsbedürfnis. Die Mädchen und Jungen umzingelten danach Neubauer und Güngör und stellten weitere Fragen. Die Mädchen fragten häufig nach Schwimmunterricht. Die 16-jährige Pinar zum Beispiel, war sehr interessiert, fürchtete sich jedoch vor der Aufnahmeprüfung. Ihr Schwimmunterricht sei lange her. Zeki (21) bekam bereits eine Absage. Er hat mit seinem erweiterten Hauptschulabschluß eine Malerausbildung gemacht und sich trotz seines schlechten Notendurchschnitts beworben. Er bekam den Tipp, den Realschulabschluß nachzumachen.

Bernd Böttcher von der Nachwuchsförderung schätzt, dass auch in diesem Jahr nach einer Kampagne im vergangenen Jahr 100 von den 2000 Bewerbungen für den mittleren Dienst aus diesem Interessenkreis gekommen ist, insgesamt müssten es 130 sein. Letztendlich sei auch das zu wenig. Denn in den vergangenen 12 Jahren sind nach seiner Auskunft von den 6000 Polizisten im mittleren Dienst nur 79 "definitiv ausländischer Abstammung." Im höheren Dienst ist die Zahl verschwindend gering.

Ihm sei bewusst, dass auf beiden Seiten Vorbehalte abgebaut werden müssen. Für ihn beruht das geringe Interesse auch darauf, dass viele ausländische Jugendliche keinen oder keinen guten Abschluß haben und die, "die es geschafft haben", lieber studieren wollen. "Es ist ein Prozeß, der voranschreitet. In einigen Jahren wird es besser aussehen", prophezeit Böttcher zuversichtlich. Wie viele von den 40 Jugendlichen im TU-Hörsaal sich bewerben werden, läßt sich schwer ermitteln. Süreyya, die die Schule abbrechen wollte, ging schon vor Ende der Veranstaltung. "Die Arbeitsbedingungen sagen mir nicht zu", war ihr kurzer Kommentar.

Suzan Gülfirat

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