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Berlin: An der Bildungsfrage sind sie zu erkennen

Die Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger und Klaus Wowereit beim „Treffpunkt Tagesspiegel“

Und noch ein Wahlkampf-Versprechen: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat will den Berlinern und der Berliner Politik treu bleiben. „Ich bin nicht auf Jobsuche“, sagte Wowereit gestern Abend auf die Frage von Chefredakteur Lorenz Maroldt. Der hatte von ihm beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ wissen wollen, was er mit der Ankündigung gemeint habe, sich in Zukunft stärker in die Bundespolitik einzumischen. „Akzentuierungen“ wolle er setzen, sagte Wowereit, etwa in der Gesundheitspolitik. Aber: „Ich kandidiere für die volle Legislaturperiode.“

Das war eine der Ankündigungen, die öfter zu hören sind in der beginnenden heißen Wahlkampfphase. Einen Tag zuvor hatte der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger Wowereit mit Hinweis auf dessen bundespolitische Ambitionen einen Regierenden „auf Abruf“ genannt. Beim Treffpunkt Tagesspiegel im großen Saal des Hotels Intercontinental saßen Pflüger und Wowereit zum zweiten Mal in diesem Sommer gemeinsam auf einem Podium – und der Streit wurde heftiger und ernster.

Vielleicht lag es daran, dass Maroldt gleich die Bildungspolitik zum Thema machte – da sind ideologische Gegensätze zwischen SPD und CDU deutlich zu erkennen. Wowereit erwies sich als einer, der mit den vielen Schulreformen inhaltlich etwas anzufangen wusste. Und der mit derartigem Nachdruck die komplett kostenfreie Kita versprach und begründete, dass sich sogar so genannte Besserverdienende auf die nächste Legislaturperiode freuen können. Auch sie sollen nichts mehr zahlen müssen. Da wird nur einer grimmig gucken – Finanzsenator Thilo Sarrazin.

Pflüger wiederum punktete, als er die Einheitsschule in Grund und Boden redete, obwohl Wowereit sie angeblich auch nicht will. Egal – geht man vom wuchtigen Beifall an dieser Stelle aus, ist jeder politisch gut beraten, der das Berliner Schulsystem keiner weiteren Reform unterzieht, die bei Eltern so ankommt, als gehe es um Niveauangleichung auf dem untersten Level. Als Pflüger noch über ein „idelogisches Experiment“ schimpfte, das auf dem Rücken der Kinder und der Eltern veranstaltet werde – die „flexible Eingangsphase mit Kindern aus zwei oder drei Jahrgängen in der ersten Klasse“ – zeigte sich einer der Unterschiede zwischen der SPD und der CDU im Wahlkampf. Die CDU würde wohl, käme sie an die Regierung, einiges in der Bildungspolitik zurück-reformieren. Das kulturkampfbehaftete Fach Ethik will Pflüger ohnehin gleich wieder abschaffen.

Ansonsten: Gegensätze in Einzelfragen. Pflüger will den FlugahafenTempelhof behalten, Wowereit nicht. Pflüger glaubt an einen Hauptstadtpakt zur Entschuldung Berlins. Wowereit sagt, die Bundesregierung habe ihm schriftlich gegeben, das von ihr kein Geld für Berlin zu erwarten sei. Pflüger griff an, ernst, manchmal ein wenig pathetisch, Wowereit konterte, teils kühl und souverän, teils ein wenig defensiv, etwa beim Erläutern der Schwächen des Berliner Arbeitsmarkts. Über 700 Leser hörten und sahen die beiden. Was zeigt: Landespolitik wirkt, um ein Wowereit-Wort zu variieren, manchmal ideenarm, derzeit aber auf viele sexy. wvb.

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