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Berlin: An der Wurzel gepackt

Wäre es nicht so eisig draußen, säße Bruno vor seinem Zelt, irgendwo im Grünen. Vielleicht auch mit ein paar Kumpels am Gröbenufer an der Spree.

Wäre es nicht so eisig draußen, säße Bruno vor seinem Zelt, irgendwo im Grünen. Vielleicht auch mit ein paar Kumpels am Gröbenufer an der Spree. So aber hat der 30-Jährige die Nacht in einer Notunterkunft zugebracht. Bruno, Maurer, seit der Wende arbeitslos und seit einem Jahr ohne feste Bleibe, macht in der "Tagesstätte für Erwachsene am Wassertor" Küchendienst, einer Wärmestube des Diakonischen Werks.

Heute wird Advent gefeiert. Rote Servietten schmücken die zwölf Tische des Speisesaals. Bonbons, Schokolade und Kaffee stehen bereit. Nach und nach füllt sich der Saal mit Obdachlosen. Hauptsächlich mit Männern zwischen 40 und 50, die alle frisch geduscht aussehen, meist dicke Pullis tragen. Die plaudern, rauchen, fernsehen. Später wird Bruno beim Servieren der Schweinshaxen helfen. Ohne die Hilfe der Küchengruppe - Obdachlosen, die mit anpacken - wäre die Arbeit in der Wärmestube am Segitzdamm für die Sozialarbeiter Frida Keck und Albert Nägele kaum zu bewältigen. Sechs Tage in der Woche, fünf Stunden am Tag halten sie die Einrichtung geöffnet. Das Essen sammelt die Organisation "Berliner Tafel": Reste von Märkten, aus Kaufhäusern und Großbäckereien. Bruno bereitet die Mahlzeiten mit vor, schneidet zum Beispiel die faulen Stellen vom Gemüse ab.

"Die Suchtberatung ist eine Treppe tiefer", steht auf einem Schild an einem Ende des Speisesaals. Es verweist auf eine Besonderheit der Wärmestube. Sie ist nicht nur Anlaufpunkt für Hungrige, sondern bietet der zum überwiegenden Teil alkoholkranken Klientel außerdem Beratung an. Nur so könne man das Problem der Obdachlosigkeit an der Wurzel packen, sagt Albert Nägele. "Der Obdachlose wird nicht suchtkrank, weil er wohnungslos ist, sondern umgekehrt." Der Alkoholismus sei meist Ursache von Kündigungen, Schulden und zerbrochenen Ehen. Suchtberater Siegfried Gosdschan versucht, das Vertrauen der Kranken zu gewinnen. Manche schaffen es, sich zur 14-tägigen Entgiftung im Krankenhaus, zur dreimonatigen Entwöhnungskur in einer Spezialklinik aufzuraffen. Die Sozialarbeiter von der Wärmestube am Wassertor möchten mit Spenden ihre kleine Küche ausbauen. Den maroden Herd und den alten Kühlschrank erneuern und einen Boden einbauen, den man gut reinigen kann. Außerdem sollen Werkzeug und Material für den Reparaturservice angeschafft werden.

Tobias Arbringer

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