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Berlin: An die Wand: Der Zollstock bringt es an den Tag

Erst staunen die Gäste vor dem Restaurant "Pro Seniore", dann rücken sie ihre Stühle eilig Richtung Hauswand. Mittes Baustadtrat, zwei Mitarbeiter des Tiefbauamts und zwei Polizisten haben sich vor ihnen postiert.

Erst staunen die Gäste vor dem Restaurant "Pro Seniore", dann rücken sie ihre Stühle eilig Richtung Hauswand. Mittes Baustadtrat, zwei Mitarbeiter des Tiefbauamts und zwei Polizisten haben sich vor ihnen postiert. Ein Beamter zückt einen Zollstock, misst nach, wie viel Platz Tische und Stühle vor der Gaststätte einnehmen. Passanten drängeln auf dem engen Bürgersteig an der Gruppe vorbei. Ein Trupp junger Männer bleibt stehen und beobachtet, mit Bierdosen in der Hand, amüsiert das Geschehen. Rosenthaler Straße, abends, kurz nach Acht. Unweit der Hackeschen Höfe kontrolliert das Tiefbauamt, ob "Schankvorgärten" im Kneipenviertel den Genehmigungen entsprechen oder die Wirte sie unerlaubt über den Bürgersteig ausufern lassen.

Beim Betreiber des "Pro Seniore" ist nichts zu beanstanden. Ärger gibt es dafür im "Schwarzenraben" um die Ecke, in der Alten Schönhauser Allee. Für vier Bistrotische, die dort parallel zu den parkenden Autos auf dem Trottoir stehen, hat der Wirt kein behördliches Papier. "Ich wollte sie immer anmelden", sagt der Gastronom etwas kleinlaut. Flugs eilt ein Kellner heran, räumt vor den Augen der Gäste die Tische vom Bürgersteig. Der Wirt kommt mit einer mündlichen Verwarnung davon. Das nächste Mal drohe ihm ein Bußgeld von bis zu 500 Mark, warnt ihn die Christine Haller, Gruppenleiterin im Tiefbauamt.

Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) will Auswüchse des Kneipentrubels in der Spandauer Vorstadt nicht länger hinnehmen. Vergangene Woche begannen, wie berichtet, Anstreicher an der Oranienburger Straße, die für Schankvorgärten genehmigten Flächen mit weißen Streifen zu markieren. Kontrollen von Amts wegen sind Flierls zweiter Streich. Er sieht einen "Interessenkonflikt" zwischen Fußgängern und Kneipiers. Vor allem an der Oranienburger Straße sind Bürgersteige mit Werbeschildern, Sonnenschirmen und Spanischen Wänden verstellt. "Zwei Kinderwagen können sich dort nicht begegnen", sagt Flierl. Man müsse denEindruck vermeiden, es handle sich dort um "private Vorgärten". Mit einem Durchgreifen in "preußischer Manier" habe das nichts zu tun. Dennoch sind ihm seine Kontrolleure gerade ein wenig zu nachsichtig. "Auch wieder nur ermahnt?", fragt Flierl einmal, fast ein wenig enttäuscht, während der Aktion.

Dreizehn Lokale überprüft der Kontrolltrupp an diesem Abend. Bei fünf gibt es Beanstandungen. Die Wirte kommen alle mit Verwarnungen davon. Flierl räumt ein, dass für solche Kontrollen eigentlich zu wenig Personal da sei. Seine beiden Mitarbeiter hätten eigentlich längst Feierabend, sie machen Überstunden. Freundlich, aber resolut tritt Gruppenleiterin Haller auf. Ihr Amt kann aber auch hart durchgreifen. Vergangenes Jahr hat sie Stühle und Tische eines uneinsichtigen Wirts am Gendarmenmarkt einfach beschlagnahmt.

tob

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