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Berlin: „An Ost-Kompetenz empfinde ich keinen Mangel“

Christoph Stölzl will für die Pankower CDU als Direktkandidat antreten – die aber tendiert zu Günter Nooke

Die Pankower CDU hat mehr BundestagsKandidaten als sie braucht. Günter Nooke will für den Wahlkreis wieder in den Bundestag, nun bewirbt sich auch Christoph Stölzl. Am Dienstag sollen die Wahlkreisvertreter einen Kandidaten nominieren, der gegen den SPD-Kandidaten Wolfgang Thierse antritt. Der Pankower CDU-Kreisvorsitzende Dirk Stettner empfiehlt den Wahlkreisvertretern, Günter Nooke zu nominieren. Zumindest einer der Berliner CDU-Kandidaten müsse aus dem Osten kommen, sagt Stettner. Ein Interview mit Nooke folgt. Mit Christoph Stölzl sprach Werner van Bebber.

Herr Stölzl, der Kreisvorstand will Günter Nooke – treten Sie dennoch an?

Natürlich.

Womit empfehlen Sie sich für den Bundestag?

Die Hauptstadt Berlin besitzt die größte Kulturlandschaft der Republik. Unsere Stadt sollte im Bundestag auch von Menschen vertreten sein, die für das geistig-kulturelle Berlin stehen. Die zukünftige Bedeutung Berlins im Konzert des Föderalismus wird ganz entscheidend davon abhängen, mit welcher Autorität es im Bundestag spricht und wie viel Kompetenz die Berliner Abgeordneten für die anstehende Wertedebatte unserer Nation mitbringen.

Man hat aber im vergangenen Jahr wenig von Ihnen zur Berliner Politik gehört.

Politik besteht nicht nur aus Tagespolitik. Ich habe mich in den verschiedensten Ebenen und Medien, in und außerhalb der CDU, mit den politischen Grundfragen unserer Zeit beschäftigt: dem gesellschaftlichen Wandel, dem Verhältnis zwischen Kultur und Wirtschaftsentwicklung, mit der nationalen Identität der Deutschen. Ich habe als Mitglied des Kuratoriums der Adenauerstiftung federführend das Thesenpapier zur „Bürgergesellschaft“ betreut, habe mitgearbeitet in der von Jürgen Rüttgers geleiteten Kommission der Bundespartei „Große Städte“ und am Kulturteil des Wahlkampfprogramms in Nordrhein-Westfalen.

In Pankow werden Sie nicht nur die lesenden Schichten ansprechen, sondern ganz normalen Wahlkampf machen müssen. Warum gerade Pankow?

In Pankow reizt die Auseinandersetzung mit einem prominenten Intellektuellen der SPD,Wolfgang Thierse. Durch die innerstädtische West-Ost-Wanderung ist Pankow, zu dem ja ein Teil Prenzlauer Berg gehört, eine für das neue Berlin typische Mischung aus bürgerlichen und kulturellen Elementen – und sehr viel echtem „alten Berlin“. In Pankow, das ja vor 1989 eine betonte Identität pflegte, habe ich mich immer spontan sehr gut gefühlt; meine ältesten Berliner Ost-West- Freundschaften stammen aus Pankow. Gerade hier Straßenwahlkampf zu machen, stelle ich mir reizvoll vor.

Wie wollen Sie als Mann aus dem Westen eine Wählerschaft überzeugen, die bislang den bärtigen, aus dem Osten stammenden und daran auch gern erinnernden Wolfgang Thierse vorgezogen hat?

Das ist dem bärtigen, aus dem Osten stammenden jetzigen Wahlkreisvertreter der Union bisher auch nicht gelungen. Aber ich fühle mich durch den Begriff „Mann aus dem Westen“ schlecht porträtiert. Der wichtigste Teil meines Berufslebens spielt ab 1990 im Osten Berlins – der für mich nie „der Osten“, sondern immer „unser gemeinsames Berlin“ gewesen ist. Die Ost-West-Gemeinschaftsleistung des neuen Deutschen Historischen Museums, seine große Serie der DDR-Ausstellungen, die Erneuerung der Neuen Wache, das deutsch-russische Museum Karlshorst, der I.M.Pei-Bau, der Kampf für den Schloss-Wiederaufbau, das Heine-Denkmal im Kastanienwäldchen, die Erringung des Friedrich-Engels-Kasernengeländes für die Kultur, die Stiftung Denkmalsschutz und das Brandenburger Tor, der Hauptstadtkulturfonds – ich könnte die Reihe meines Engagements und meiner Leistungen für den Ostteil Berlins lang fortsetzen. Das heißt: Ich bin durch meine Lebenserfahrung ganz stark mit dem Zusammenwachsen Berlins verbunden. Ich fühle mich deshalb als Gesamt-Berliner, der die beglückende Erfahrung gemacht hat, dass dann, wenn Menschen gemeinsame Ziele haben, die Frage Ost-West keine Rolle mehr spielt.

Das ändert nichts daran, dass mancher in der CDU einen Kandidaten aus dem Osten auf dem Tableau haben will. Günter Nooke hat als Kulturpolitiker Bundestagserfahrung. Seine Sozialisierung macht ihn vielleicht offener für Themen, die Ostdeutsche ansprechen – offener, als Sie es sein können. Schreckt Sie das nicht?

Es steht einer Partei der deutschen Einheit nicht gut an, 15 Jahre nach dem Glück von 1990 die Menschen ernsthaft noch nach Ost und West zu sortieren. In meiner Zeit als Kultursenator und danach als Vorsitzender der Berliner CDU habe ich im Osten Berlins nicht weniger Sympathie empfangen als im Westen. Und die Ernsthaftigkeit aller politischen Diskussionen im Osten war wiederum mir hochsympathisch. An Ost-Kompetenz fühle ich keinen Mangel.

Christoph Stölzl (61)

war 2001/02 Kultursenator und danach ein Jahr lang CDU-Landesvorsitzender. Heute ist er stellvertretender Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.

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