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Berlin: Ana W., 39, ein Sohn (7)

Seit fünf Jahren versuche ich eigentlich nur, das Leben in den Griff zu kriegen. So lange bin ich alleinerziehend.

Seit fünf Jahren versuche ich eigentlich nur, das Leben in den Griff zu kriegen. So lange bin ich alleinerziehend. Nach der Trennung vom Vater meines Sohnes, der seither verschwunden ist, musste ich umziehen. Jahrelang hatte ich in Friedrichshain gelebt, wie auch die meisten meiner Freunde. Eine neue, bezahlbare Wohnung fand ich nur in Wedding – weil eine gute Freundin mit mir eine WG gründete. Damals habe ich noch studiert, Osteuropastudien. Mit Ach und Krach habe ich meinen Master im vergangenen Jahr beendet. Das hat alles auch so lange gedauert, weil ich Seminare und Vorlesungen nur vormittags besuchen konnte, wenn mein Sohn in der Kita war. Meine Motivation, während ich die Masterarbeit geschrieben habe, war: eine bessere Zukunft für meinen Sohn. Ich dachte, ich finde anschließend einen Job, suche mir eine Wohnung … Leider stellt mich seit einem Jahr niemand ein, immer heißt es, ich sei unter- oder überqualifiziert. Nun ist meine Mitbewohnerin ausgezogen und ich werde wieder umziehen müssen, weil ich die Wohnung alleine nicht bezahlen kann. Von Friedrichshain nach Wedding zu ziehen, fühlte sich damals schon wie ein sozialer Abstieg an. Was, wenn ich jetzt nach Spandau oder Marzahn rausziehen muss? Fünf Jahre nach der Trennung weiß ich nicht, ob ich mich vom Aufprall erhole oder immer noch falle. Es ist schwierig, anzukommen, wenn die Wohnsituation so unsicher ist. Es sollte Wohnberechtigungsscheine nur für Alleinerziehende geben. Meine Eltern wohnen in Berlin und unterstützen mich manchmal. Doch viele Freundschaften sind durch meinen Wegzug auf der Strecke geblieben. Man schämt sich für seine Situation, zieht sich zurück und will seine Ruhe haben. Mein Sohn steckt das alles gut weg. Ich verheimliche aber auch nichts vor ihm. Während wir telefonieren, spielt er im Nebenzimmer. Er ist sehr optimistisch. Das lerne ich von ihm: Zuversicht haben. Andersherum sieht er, was er für eine starke Mama hat – und wird hoffentlich ein starkes Kind.

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