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Die Axel Schultes und Charlotte Frank zeigen Petra Wesseler (zweite v. re.) und dem Helge Braun (li.) am Modell den Neubau.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Anbau am Bundeskanzleramt: Hubschrauber-Landeplatz für die Kanzlerin

Der Bund plant ein neues Verwaltungsgebäude für das Kanzleramt, für 460 Millionen Euro. Absehbar ist: Es wird viel teurer.

Ein Vierteljahrhundert hat es gedauert. Jetzt will die Regierung es weiter knüpfen, das Band des Bundes im Regierungsviertel: Das Kanzleramt bekommt im Westen jenseits der Spree ein neues Bürohaus mit Hubschrauber-Landeplatz. Die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank hatten den Entwurf in den 1990er Jahren gezeichnet und damit den Realisierungswettbewerb gewonnen – so wie zuvor den Masterplan für das Quartier.

Dass außerdem noch das Bürgerforum vor der „Waschmaschine“ kommt, wie manche das Kanzleramt nennen, das werde er wohl nicht mehr erleben, sagt Schultes: „Die Hoffnung habe ich mit 75 Jahre aufgegeben – aber Frau Frank vielleicht, die ist 15 Jahre jünger.“

Das Band des Bundes gehört neben dem Potsdamer Platz zu den größten städtebaulichen Projekten der ersten Berliner Bauwelle nach dem Fall der Mauer. Doch anders als beim von Daimler errichteten Quartier, verlor der Bund recht bald nach dem Bau des Kanzleramtes und der Bürohäuser für Abgeordnete die Lust an dem Projekt. Schultes erklärt damit heute die teils scharfe Kritik an dem monumentalen Dienstsitz von Angela Merkel: Er hätte den Bau so nicht gestaltet, wenn er gewusst hätte, dass er ein Solitär bleiben würde, ohne das Bürgerforum. Mit der weit über 460 Millionen Euro teuren Erweiterung entsteht bald wenigstens im Westen was Neues nach alten Plänen.

Der Bau ist wohl erst in einem Jahrzehnt fertig

Bald heißt: In frühestens acht Jahren, weshalb es angesichts der regelmäßigen Verzögerungen bei öffentlichen Bauaufgaben nicht völlig falsch ist, eher mit einem Jahrzehnt zu rechnen. Ähnliches gilt für die genannten Baukosten von 460 Millionen Euro: „Diese Schätzung berücksichtigt nicht künftige Baupreissteigerungen“, sagt die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Petra Wesseler. Die Baupreise steigen zurzeit rasant, bei einem Plus von zwei Prozent jährlich für die kommenden zehn Jahre sowie Rücklagen für „nicht vorhersehbare Ereignisse im Bauablauf“, die das BBR ausdrücklich erwähnt, darf man getrost 100 Millionen Euro aufschlagen.

Doch die Not ist groß im Kanzleramt und zwingt zum Handeln: Im „Altbau“ gibt es Arbeitsplätze für 410 Mitarbeiter. Die sind aber so „zusammengerückt“ und haben auf Besprechungsräume verzichtet, dass heute 710 Angestellte dort Platz haben. Trotzdem mussten weitere 90 Beamte extern untergebracht werden, teils im Neubau des Bildungsministeriums, teils im Bundespresseamt. Das stelle die „Arbeitsabläufe vor Herausforderungen“, so der Chef des Bundeskanzleramts Helge Braun. Der Neubau mit 400 weiteren Arbeitsplätzen werde diese Probleme lösen.

Das Kanzleramt lobte keinen Wettbewerb aus

Der bogenförmige Neubau entsteht im „Kanzlerpark“ im Tiergarten. Zwei doppelstöckige 90 Meter lange Brücken, eine davon steht schon, sollen sich über die Spree spannen und Bürohaus und Kanzleramt verbinden: mit einer Fahrspur und einem Fußweg oben. Dazu soll auf einem angrenzenden Grundstück ein „Post- und Logistikbereich“ kommen, als Zufahrt für Lieferfahrzeuge.

„Die Architektur nimmt sich sehr zurück, das sollte man nicht so hoch hängen“, sagt Schultes zu dem Entwurf, es handle sich ja nur um einen Verwaltungsbau. Trotzdem stellt sich die Frage, warum das Kanzleramt keinen Wettbewerb zur Realisierung des 500-Millionen-Projektes auslobte. Weil dieses Gebäude „vorgedacht“ sei im städtebaulichen Wettbewerb zum Band des Bundes, den Schultes und Frank gewonnen hatten, sagt BBR-Chefin Petra Wesseler. Wäre der Bund abgewichen von diesen Plänen, hätte er wiederum mit Klagen zum Urheberrecht rechnen müssen. Kurzum, das Vorgehen sei „juristisch geprüft“.

Kalkstein statt Sandstein

Anders als das Kanzleramt wird der Neubau nicht durch einen großen Zaun geschützt – dafür aber wie ein Bollwerk auf zwei fensterlosen untersten Geschossen stehen, deren Beton Explosionen von 20 Kilo TNT standhält. Wein soll an diesem Fort hochranken und ihm seine Wuchtigkeit nehmen. Grün wird auch der weite Innenhof, um den sich das geschwungene Verwaltungsgebäude legt. Licht dringt auch durch die gläsernen Einschnitte in den Baukörper.

Vor der heißen Sommersonne sollen Lamellen schützen, die, anders als im Kanzleramt, außen anliegen. Schultes sagte, das verbessere die Dämmwirkung. Lehren aus den Erfahrungen mit dem „Altbau“ wollen die Planer auch bei der Fassade ziehen: Kalksandstein soll beim Neubau zum Einsatz kommen statt Sandstein, weil dieser anfällig für Mikroorganismen sei, die sichtbar werden an den dunklen Streifen an der Außenhaut von Merkels Dienstsitz.

Viele Fragen sind noch offen

Und wann beginnen die Bauarbeiten? In vier Jahren. „Noch ist die Planung nicht fertig“, sagte BBR-Präsidentin Wesseler. Dazu müssten nun erstmal Tragwerkplaner und Bauphysiker, Gutachter und Generalplaner angeheuert werden; Voraussetzung dafür sind Ausschreibungen. Danach beginnt die Arbeit an der „Entwurfsplanung“. Außerdem müssen viele Genehmigungen eingeholt werden, weil Fragen des Luftverkehrs wegen des Hubschrauberlandeplatzes zu klären sind, zum Bundeswasserstraßenrecht wegen der geplanten Brücke. Es stehen aufwendige Sicherheitsabstimmungen mit den Kriminalämtern von Bund und Land an. Das Land Berlin muss außerdem Baurecht schaffen. Und außerdem müssen die Pläne durch den Haushaltsausschuss, auch das kostet Zeit.

Eine Zusammenarbeit mit privaten Baufirmen, ein Public-Private-Partnership, sei wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen nicht infrage gekommen. Im Regierungsviertel ringt das BBR schon mit der Erweiterung des Elisabeth-Lüders-Hauses, die Zeit- und Kostenbudgets sprengt. Dass man mit einer weiteren Aufgabe überfordert sein könnte, weist Chefin Wesseler zurück. Man freue sich auf die neue Aufgabe.

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