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Berlin: Anblaffen lassen und dabei höflich bleiben

Immer mehr Angriffe auf Polizisten: In Kursen werden sie deshalb auf den rauen Alltag vorbereitet

Die Szene spielt in der Steglitzer Schloßstraße: Die Polizisten Isabel Viedt und Ansgar Sänger machen einen Fahrer darauf aufmerksam, dass er in zweiter Reihe parkt. „Ick warte auf meene schwangere Frau, die gleich vom Frauenarzt zurückkommt. In zehn Minuten bin ick weg“, blafft der Fahrer durchs Seitenfenster. Dann vertieft sich der Fahrer demonstrativ in seine Zeitungslektüre. Als die Polizisten ihn nochmals höflich aber bestimmt belehren, zückt der Fahrer sein klingelndes Handy und raunzt die Beamten an, doch mal endlich still zu sein: „Ick telefoniere!“

Respektlosigkeit. Ignoranz. Verhaltensweisen, mit denen Polizeibeamte immer häufiger konfrontiert werden (siehe Kasten). Aber wie geht man damit um? Im „Konfliktbewältigungsseminar“ sollen Polizeischüler genau das lernen. Anhand von Rollenspielen, wie in der eben geschilderten Szene. Alles wird mit einer Videokamera aufgenommen und später gemeinsam ausgewertet. Insgesamt vier Wochen lang schulen die beiden Polizeioberkommissare Thomas Gritzka und Thorsten Wunderlich die rund 15 Polizeianwärter.

Kommunikationstraining, Konfliktbewältigung, der Umgang mit Stress und traumatischen Erlebnissen sind die vier Grundpfeiler, auf denen das Verhaltenstraining an der Landespolizeischule in Spandau aufgebaut ist. Jedes Thema wird eine Woche lang behandelt.

„Es geht darum, höflich aufzutreten, aber dabei bestimmt zu sein“, erklärt Joachim Schönberg, Leiter des Verhaltenstrainings bei der Polizei. Dazu gehört auch, dass sich die Beamten ihrem Gegenüber mit Namen vorstellen, wenn sie ihn ansprechen. Und dass sie umgekehrt den Bürger – beispielsweise bei der Überprüfung der Personalien – mit seinem Namen anreden. Die Polizisten sollen lernen, sich in die Situation des Bürgers hineinzuversetzen. Steht er gerade unter Stress? Aus welcher Situation heraus reagiert er unwirsch oder pöbelt gar?

Es helfe nichts, sich in eine Art Gewaltspirale hineinreißen zu lassen. Druck erzeuge Gegendruck. Also gilt die Regel: Gelassen bleiben, aber konsequent sein Ziel verfolgen. Ob er die Beleidigung „blöder Bulle“ ahndet oder ignoriert, bleibe dem Beamten selbst überlassen. „Er muss sich überlegen, ob es in der jeweiligen Situation Sinn macht, auch noch eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung zu fertigen.“

Zurück zur Szene in der Schloßstraße: Der Fahrer beginnt zu diskutieren. Er will partout nicht einsehen, warum er hier ermahnt wird, obwohl die Autos vor ihm auch alle regelwidrig parken. Isabel Viedt und Ansgar Sänger belehren ihn, überhören seine Beleidigung. Sie lassen sie sich nicht in eine politische Diskussion ziehen, als der Fahrer den glatzköpfigen Beamten fragt, ob denn auch „rechtsgesinnte Randgruppen“ bei der Polizei zugelassen werden. Am Ende der Szene zahlt der Fahrer die 20 Euro Bußgeld fürs Parken in zweiter Reihe.

„Sehr unwohl“, hat sich Isabel Viedt gefühlt, als der Fahrer plötzlich anfing zu telefonieren und sie „wie bestellt und nicht abgeholt“ dastand. Trainer Gritzka nickt. „Respektlosigkeit und Ignoranz, das sind genau die Dinge, die weh tun – und dennoch muss man lernen, damit umzugehen“, sagt Gritzka. Aber er lobt die beiden Polizeischüler. „Sie sind ruhig geblieben und haben strikt ihr Ziel verfolgt.“ Auch, dass ihr Kollege sich wegen der „Glatzkopf-Bemerkung“ nicht provozieren lassen hat, sei richtig gewesen. Und am Ende dem Fahrer „noch ’nen schönen Tag“ zu wünschen – wie es die Polizeischüler gemacht haben – könne nie schaden.

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